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Pretty - Erkenne dein Gesicht

Pretty - Erkenne dein Gesicht

Titel: Pretty - Erkenne dein Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scott Westerfeld
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silbrige Jacke zu streifen, ehe sie in die Menge zurück wichen. Es war seltsam, hier in der Wildnis Kinder zu sehen. Anders als ihre Eltern kamen die Kleinen Tally fast normal vor. Sie waren so jung, dass ihre Haut noch nicht die Makel aufwies, die schlechte Ernährung und Krankheiten verur sachten, und schließlich wurde in der Stadt die Operation auch erst bei Sechzehnjährigen ausgeführt. Tally war den Anblick von asymmetrischen Gesichtern und schielenden Augen bei Winzlingen gewöhnt, und diese hier waren immerhin niedlich.
    Tally kniete nieder und streckte eine Hand aus, worauf die mutigsten Kinder nervös ihre Handfläche streichelten.
    Nun sah sie auch zum ersten Mal Frauen. Da fast jeder Mann einen Bart hatte, war es leicht, die Geschlechter auseinanderzu halten . Die Frauen hielten sich im Hintergrund, sie kümmerten sich um die kleinsten Winzlinge und wagten kaum, Tally anzusehen. Einige legten in einer rußschwarzen Grube mitten im Ort ein Feuer an. Kein Mann ließ sich dazu herab, ihnen zu helfen, wie Tally bemerkte.
    Sie erinnerte sich vage daran, dass sie in der Schule von der Sitte der Prä-Rusties gehört hatte, Männern und Frauen unterschiedliche Aufgaben zuzuordnen. Und dabei hatten die Frauen meistens die Drecksarbeiten übernehmen müssen, fiel ihr jetzt ein. Sogar einige Rusties hatten stur an diesem Irrsinn festgehalten. Bei diesem Gedanken machte Tallys Magen einen unangenehmen kleinen Sprung und sie hoffte, dass diese Regeln nicht für Gottheiten galten.
    Sie hätte gern gewusst, woher diese Sache mit den Göttern eigentlich kam. Tallys Feuerzünder und die restliche Ausrüstung waren in ihrem Rucksack, den sie geholt hatten, ehe sie und die Jäger sich auf den Weg hierher gemacht hatten. Aber bisher hatte keiner von ihnen diese Wunderdinge gesehen. Es hatte nur einen Blick auf sie gebraucht. Aber nach allem, was Tally über Mythologie wusste, gehörte mehr als nur ein hübsches Gesicht dazu, eine Gottheit zu sein.
    Natürlich war sie nicht die erste Pretty, die diese Leute sahen. Zumindest ein paar von ihnen konnten Tallys Sprache. Vielleicht wussten sie ja auch etwas über Hightech.
    Jemand stieß am Rand der Gruppe einen Schrei aus und die Menge verstummte und bildete eine Gasse. Ein Mann trat in den Kreis, trotz der Kälte trug er kein Hemd. Eine unverkennbare Autorität ging von ihm aus, er durchschritt Tallys göttliches Kraftfeld ohne Mühe und blieb auf Armlänge vor ihr stehen. Er war fast so groß wie sie, ein Riese unter diesen Menschen. Er sah auch stark aus, drahtig und hart, obwohl Tally davon ausging, dass seine Reflexe sich mit ihren nicht messen konnten. Im Feuerschein leuchteten seine Augen eher neugierig als ängstlich.
    Sie hatte keine Ahnung, wie alt er wohl war. Sein Gesicht wies einige Mittel-Pretty-Falten auf, aber seine Haut sah gesünder aus als die der meisten anderen hier. War er jünger als die anderen? Oder einfach gesünder?
    Tally registrierte auch, dass er ein Messer hatte, den ersten Metallgegenstand, den sie hier sah. Der Griff glänzte in mattem Kunststoffschwarz.
    Sie hob eine Augenbraue. Das Messer musste aus der Stadt stammen.
    "Willkommen", sagte er.
    Er sprach also auch die Zunge der Götter. "Danke. Äh, ich meine ... vielen Dank."
    "Wir haben dich nicht erwartet. Noch lange nicht."
    Kündigten die Gottheiten hier ihre Besuche vorher an? "Tut mir leid", murmelte sie, aber das schien ihn nur zu verwirren. Vielleicht wurden von Gottheiten keine Entschuldigungen erwartet.
    "Wir waren verwirrt", sagte er. "Wir sahen dein Feuer und hielten dich für einen Eindringling."
    "Ja, das hab ich verstanden. Macht ja nichts."
    Er versuchte zu lächeln, aber dann runzelte er die Stirn und schüttelte den Kopf. "Wir verstehen noch immer nicht."
    Da seid ihr nicht die Einzigen.
    Die Aussprache des Mannes war überaus seltsam, er sprach wie jemand aus einer anderen Stadt auf ihrem Kontinent, nicht wie jemand aus einer ganz anderen Zivilisation. Andererseits schienen ihm die Worte für die Fragen zu fehlen, die er stellen wollte, als sei er an leichtes Geplauder mit Gottheiten nicht gewöhnt. Vermutlich suchte er nach: Was zum Teufel willst du hier eigentlich?
    Welche Vorstellung auch immer diese Leute von göttlichen Wesen haben mochten, Tally schien ihr jedenfalls nicht so recht zu entsprechen. Und sie hatte das Gefühl, wenn sie hier den Eindruck erweckte, keine Gottheit zu sein, dann würde nur noch eine andere Kategorie bleiben: Eindringling.
    Und Eindringlingen

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