Pretty Little Liars - Herzlos: Band 7
keuchenden Atemzüge hob und senkte. Sie hatten sofort die Schwester gerufen, wenn Spencer Wasser wollte, Schmerzmittel brauchte oder wegen der Kälte nach einer wärmeren Decke verlangte. Als der Arzt sie heute Nachmittag entlassen hatte, führten sie sie in ihre Lieblingseisdiele Creamery in Old Hollis aus und kauften ihr eine Riesenkugel Maple Walnut. Das war eine große Veränderung – sie hatten sie jahrelang wie ein ungewolltes Kind behandelt, das sie gnädigerweise in ihrem Haus wohnen ließen. Und als sie vor Kurzem gestanden hatte, dass der Aufsatz, mit dem sie den Essaypreis Goldene Orchidee gewonnen hatte, nicht von ihr, sondern von ihrer perfekten Schwester Melissa stammte, hatten sie sie praktisch exkommuniziert.
Aber jetzt gab es tatsächlich einen Grund, aus dem Spencers Eltern sie hassen durften, und sobald ihnen Spencer davon erzählte, würden sich ihre Besorgnis und ihre selten gezeigte Zuneigung sicher sofort wieder in Luft auflösen. Spencer drückte ihre Eltern fest an sich und genoss den wahrscheinlich letzten Augenblick, in dem sie noch mit ihr sprechen würden. Sie hatte so lange als möglich damit gewartet, ihnen die Wahrheit zu sagen, aber irgendwann musste sie es schließlich tun.
Also löste sie langsam die Umarmung, trat einen Schritt zurück und straffte die Schultern. »Ich muss euch etwas sagen«, gestand sie. Ihre Stimme klang heiser in der rauchigen Luft.
»Geht es um Alison?«, fragte Mrs Hastings schnell.
»Weil, Spence…«
Spencer schüttelte den Kopf und unterbrach sie. »Nein. Es geht um etwas anderes.«
Sie betrachtete die schwarzen Äste der verbrannten Bäume vor dem blassgrauen Himmel. Dann sprudelte die Wahrheit aus ihr heraus. Dass Melissa ihr gesagt hatte, möglicherweise sei der Grund, warum Nana Hastings sie in ihrem Testament nicht bedacht hatte, dass Spencer gar kein »leibliches Kind«, sondern adoptiert sei. Dass sie sich bei einer Adoptions-Website registriert hatte und nur Tage später die Nachricht gekommen war, man habe ihre leibliche Mutter gefunden: Olivia Caldwell. Und dass ihr Besuch bei Olivia Caldwell in New York so schön gewesen war, dass Spencer sofort beschlossen hatte, dorthin zu ziehen. Spencer redete und redete, denn sie hatte Angst, wenn sie aufhörte, würde sie in Tränen ausbrechen. Sie wagte nicht, ihre Eltern anzusehen. Ihre enttäuschten Gesichter würden ihr sicher das Herz brechen.
»Sie hat die Visitenkarte ihres Maklers dagelassen, also habe ich ihn angerufen und ihm die Nummer meines College-Kontos gegeben, damit er die Kaution und die erste Monatsmiete abziehen kann«, fuhr Spencer fort und krallte ihre Zehen in ihre grauen Wildleder-Stulpenstiefel. Sie brachte die Worte kaum heraus. Ein Eichhörnchen raschelte im verrußten Unterholz. Ihr Vater stöhnte. Ihre Mutter kniff die Augen zusammen und drückte die Hand an die Stirn. Spencer rutschte das Herz in die Hose. Jetzt geht’s los. Operation »Du bist nicht mehr unsere Tochter«.
»Ihr könnt euch sicher vorstellen, was dann passiert ist.« Sie seufzte und schaute auf das große Vogelhäuschen bei der Terrasse. Seit sie hier draußen standen, hatte sich noch kein einziger Vogel hierhergewagt. »Der Makler arbeitete offensichtlich mit Olivia zusammen. Sie haben das Konto komplett leer geräumt und sind verschwunden.« Sie schluckte. »Ich kann keinen von ihnen erreichen.«
Im Garten war es still. Jetzt, da die Sonne beinahe verschwunden war und der Himmel immer dunkler wurde, wirkte die Scheune wie ein Überbleibsel aus einer Geisterstadt, die dunklen Fenster sahen aus wie die Augenhöhlen eines Schädels. Spencer riskierte verstohlen einen Blick auf ihre Eltern. Ihr Dad war blass. Ihre Mutter hatte die Wangen eingezogen, als habe sie etwas Saures verschluckt. Sie tauschten einen nervösen Blick und scannten dann den Vorgarten, wahrscheinlich um sicherzugehen, dass keine Journalisten mehr da waren. Den ganzen Tag lang waren Reporter ums Haus geschlichen und hatten Spencer immer wieder gefragt, ob sie wirklich Ali gesehen hatte.
Ihr Dad holte tief Luft. »Spencer, das Geld ist egal.«
Spencer blinzelte verblüfft.
»Wir können nachverfolgen, was damit gemacht wurde«, erklärte Mr Hastings und rang die Hände. »Vielleicht bekommen wir es sogar zurück. Ich werde mich darum kümmern.« Er schaute zu dem Wetterhahn auf dem Dach. »Aber … na ja, wir hätten damit rechnen müssen.«
Spencer runzelte die Stirn. War ihr Gehirn von der
Rauchvergiftung wirklich so in
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