Pretty Little Liars - Herzlos: Band 7
und wer es hier aufgehängt hatte. Sie drehte es sogar um. Aber sie fand nichts.
Kapitel 10
DAS EINFACHE LEBEN
Später am selben Tag stand Emily vor einem schwarz-weiß verschalten Bauernhaus in Lancaster, Pennsylvania. Statt eines Autos stand in der Auffahrt ein schwarzer Einspänner mit riesigen Rädern und einem dreieckigen »Langsames Fahrzeug«-Schild auf der hinteren Achse. Sie betastete die Bündchen des grauen Baumwollkleides, das A. ihr in einer Plastiktüte in den Spind gelegt hatte, und rückte die weiße Baumwollhaube auf ihrem Kopf zurecht. Neben ihr stand auf einem handgeschriebenen Schild: Zook-Farm.
Emily biss sich auf die Lippe. Das ist doch irre. Vor ein paar Stunden hatte sie ihren Eltern erzählt, sie breche zur Kirchenreise nach Boston auf. Dann hatte sie einen Bus nach Lancaster bestiegen und sich in der kleinen Reisetoilette das Kleid, die Haube und die Knopfstiefel angezogen. Sie hatte ihren Freundinnen per SMS mitgeteilt, sie sei bis Freitag in Boston – hätte sie ihnen die Wahrheit gesagt, wären ihnen Zweifel an ihrer geistigen Gesundheit gekommen. Und für den Fall, dass ihre Eltern misstrauisch werden sollten, hatte Emily ihr Handy ausgeschaltet, damit sie die eingebaute GPS-Kindersuch-Software nicht einschalten
und entdecken konnten, dass sie in Lancaster war und sich als ein Mädchen der Amischen ausgab.
Emily hatte sich schon immer für die Amischen interessiert, aber sie hatte keine Ahnung, was es bedeutete, wie eine Amische zu leben. Soweit sie wusste, wollten die Amischen einfach in Ruhe gelassen werden. Sie mochten es nicht, wenn Touristen Fotos von ihnen schossen, und sie reagierten ärgerlich, wenn Andersgläubige ohne Erlaubnis ihr Land betraten. Die wenigen Amischen, die Emily bisher aus der Nähe gesehen hatte, waren ihr humorlos und streng vorgekommen. Warum also schickte A. sie in eine Amisch-Gemeinde? Kannte Lucy Zook Ali? War Ali aus Rosewood geflüchtet und bei den Amischen untergetaucht? Das schien komplett verrückt, aber in Emilys Herz regte sich Hoffnung. War Lucy … vielleicht Ali?
Emily fielen immer neue Gründe dafür ein, warum Ali noch am Leben und wie das möglich sein könnte. Als Emily und ihre Freundinnen sich am Tag nach Alis Verschwinden mit Mrs DiLaurentis getroffen hatten, hatte diese gefragt, ob Ali vielleicht weggelaufen sei. Emily hatte das verneint, aber Ali und sie hatten tatsächlich oft davon gesprochen, Rosewood für immer zu verlassen. Sie hatten fantastische Pläne geschmiedet – sie würden am Flughafen den ersten Flug außer Landes nehmen. Sie würden mit dem Zug nach Kalifornien fahren und in L. A. eine WG gründen. Emily konnte sich zwar nicht vorstellen, warum Ali Rosewood verlassen wollte, aber sie hatte insgeheim immer gehofft, Ali wolle Emily nicht mehr mit den anderen teilen.
In den Sommerferien zwischen der sechsten und siebten Klasse war Ali dann zwei Wochen lang wie vom Erdboden verschwunden gewesen.
Wenn Emily auf Alis Handy anrief, ging nur die Mailbox dran. Wenn sie bei Ali zu Hause anrief, der Anrufbeantworter. Trotzdem waren die DiLaurentis definitiv zu Hause – einmal radelte Emily an ihrem Haus vorbei und sah, wie Mr DiLaurentis in der Auffahrt sein Auto wusch und Mrs DiLaurentis im Garten Unkraut jätete. Sie glaubte, Ali sei wütend auf sie, obwohl sie keine Ahnung hatte, warum. Mit ihren anderen besten Freundinnen konnte sie nicht darüber sprechen. Spencer und Hanna waren mit ihren Familien im Urlaub und Aria besuchte ein Kunst-Sommerlager in Philadelphia.
Nach zwei Wochen rief Ali auf einmal an. »Wo warst du?«, fragte Emily sofort. »Ich bin weggelaufen!«, zwitscherte Ali. Als Emily nicht darauf reagierte, lachte sie. »Das war ein Witz. Ich war mit meiner Tante Giada in den Poconos. Dort hatte ich keinen Handyempfang.«
Emily schaute wieder auf das Schild. Sie traute A. nicht über den Weg und ihrer kryptischen Aufforderung, nach Lancaster zu gehen, eigentlich auch nicht – schließlich hatte A. ihnen schon völlig fälschlicherweise versucht einzureden, dass Wilden und Jason Ali getötet hätten, dabei war sie noch am Leben. Dennoch schwirrte ihr eine Frage die ganze Zeit im Kopf herum: Was würdest du tun, um sie zufinden? Emily würde wirklich alles dafür tun.
Sie holte tief Luft und stieg die Stufen zur Vordertür des
Bauernhauses hinauf. Ein paar Hemden hingen an der Wäscheleine, aber es war so kalt, dass sie gefroren aussahen. Aus dem Kamin stieg Rauch auf und im hinteren Teil des Grundstücks
Weitere Kostenlose Bücher