Pretty Little Liars - Unvergleichlich
hatte sich überlegt, den Kurs hinzuschmeißen – für den Rest des Semesters je zwei Wochenstunden
mit Jenna Cavanaugh zu verbringen, war keine besonders reizvolle Vorstellung. Ihr Anblick hatte allerhand unangenehme Erinnerungen in ihr geweckt. Aber Aria wusste, dass Meredith es Byron stecken würde, und der würde ihr einen Vortrag darüber halten, dass es kein netter Zug sei, Merediths großzügiges Geschenk in die Tonne zu treten. Aria wickelte sich enger in ihre rosafarbene Strickjacke. »Willst du mich persönlich dort absetzen?«, fragte sie schnippisch.
Meredith sah sie überrascht an. »Äh … das geht leider nicht. Ich muss etwas erledigen. Etwas … Wichtiges.«
Aria verdrehte die Augen. Sie hatte die Frage nicht ernst gemeint, aber Meredith wich ihrem Blick aus, als habe sie ein großes Geheimnis zu verbergen. Aria kam ein entsetzlicher Gedanke. Traf sie etwa bereits Hochzeitsvorbereitungen ? Aria wollte sich wirklich nicht vorstellen, wie Meredith und ihr Vater vor dem Traualtar standen und sich das Jawort gaben, aber – plopp - schon hatte sie das Bild vor Augen.
Ohne sich zu verabschieden, stapfte Aria in das Gebäude und nahm zwei Stufen auf einmal. Oben begann Sabrina gerade mit dem Kurs und bat alle Teilnehmer, sich einen Arbeitsplatz zu suchen. Es folgte eine Art Reise nach Jerusalem, und als das Gewusel ein Ende nahm, hatte Aria immer noch keinen Arbeitsplatz gefunden. Es gab nur noch einen freien Tisch … neben dem Mädchen mit dem weißen Stock und dem großen goldenen Blindenhund. Natürlich.
Aria hatte das Gefühl, dass Jennas Blick auf ihr ruhte, während sie in ihren chinesischen Ballerinas zu dem leeren
Platz ging. Jennas Hund hechelte Aria freundlich an, als sie an ihm vorbeilief. Jenna trug eine tief ausgeschnittene schwarze Bluse, aus der ein schwarzer Spitzen-BH hervorblitzte. Wäre Mike da gewesen, hätte er Jenna wahrscheinlich total spitze gefunden, weil er auf ihre Möpse starren konnte, ohne dass sie es jemals mitkriegen würde. Als Aria sich setzte, beugte Jenna den Kopf in ihre Richtung. »Wie heißt du?«
»Äh … Jessica«, sagte Aria, bevor sie sich selbst daran hindern konnte. Sie schaute auf Sabrina, die an der Tafel stand. Meistens machten sich die Dozenten, die Kurse an der Kunstfakultät anboten, nicht die Mühe, die Namen ihrer Studenten zu lernen. Hoffentlich hatte Meredith Sabrina nicht gesagt, dass Aria an ihrer Veranstaltung teilnahm.
»Ich bin Jenna.« Sie streckte die Hand aus und Aria ergriff sie. Danach drehte sie sich schnell weg und fragte sich, wie um Himmels willen sie die Doppelstunde überstehen sollte. Heute Morgen war ihr beim Frühstück in Merediths freakiger Küche eine neue Jenna-Erinnerung in den Sinn gekommen, wahrscheinlich ausgelöst durch die riesigen Gartenzwerge, die auf Merediths Kühlschrank thronten. Früher hatten Ali, Aria und die anderen Jenna Schneewittchen genannt. Als sie einmal einen Klassenausflug in die Longwood Orchards zur Apfelernte gemacht hatten, war Ali auf die Idee gekommen, Jenna einen präparierten Apfel zu schenken, den sie in die eklige Frauentoilette bei den Obstwiesen getaucht hatten, so wie die böse Königin im Disneystreifen Schneewittchen einen vergifteten Apfel schenkte.
Ali schlug vor, Aria solle Jenna den Apfel geben – sie ließ immer andere die Drecksarbeit für sie erledigen. »Dieser Apfel ist etwas Besonderes«, hatte Aria gesagt und Jenna den Apfel gereicht. Sie hörte, wie Ali und die anderen hinter ihr kicherten. »Der Farmer hat mir gesagt, er sei besonders süß, und ich wollte ihn dir schenken.« Jenna hatte so überrascht und gerührt ausgesehen. Aber als sie den ersten, saftigen Bissen nahm, schrie Ali: »Du hast einen Apfel gegessen, der in Pipi gelegen hat! Toilettenmundgeruch!« Jenna hatte sofort aufgehört zu kauen und den Apfelbissen ausgespuckt.
Aria drängte die Erinnerung beiseite und betrachtete die Ölgemälde, die an Jennas Arbeitsplatz lehnten. Es waren Porträts, gemalt in leuchtenden Farben und energischem Pinselstrich. »Hast du die gemalt?«, fragte sie Jenna.
»Die Bilder an meinem Tisch?«, fragte Jenna und legte die Hände in den Schoß. »Ja. Ich habe mit Sabrina über meine Arbeiten gesprochen und sie wollte sie sehen. Vielleicht nimmt sie ein paar in ihre Ausstellung auf.«
Aria ballte die Fäuste. Das wurde ja immer schöner. Wie zum Henker hatte Jenna es in eine Ausstellung geschafft? Wieso konnte sie überhaupt malen, wo sie doch blind war?
Vorne an der
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