Pretty Little Liars - Vollkommen
sondern eher wie eine Versagerin vorgekommen. Es gefiel ihr, dass Lucas kein Küchenheld war.
»Ich bin stolz.« Sie lächelte. »Und natürlich werde ich mit dir in diese Todesmaschine steigen.«
Als die Ballonhülle sich aufgespannt und der Brenner die Luft erhitzt hatte, stiegen Hanna und Lucas in den Korb, und er feuerte eine Flamme in den Ballon. Sekunden später stiegen sie auf. Überrascht stellte Hanna fest, dass ihr gar nicht schlecht wurde wie manchmal beim Fahrstuhlfahren. Als sie nach unten blickte, registrierte sie erstaunt, dass die zwei Kerle, die sich um den Ballon gekümmert hatten, nur noch winzige Ameisen auf dem Rasen waren. Da stand Lucas’ brauner Jetta auf dem Parkplatz, dort war der Forellenbach, dort der gewundene Joggingpfad, die Route 352 …
»Da ist der Turm von Hollis«, rief Hanna aufgeregt und zeigte in die Richtung.
»Cool, was?« Lucas lächelte.
»Aber hallo!«, gab Hanna freimütig zu. Hier oben war es so angenehm ruhig. Weder Verkehrslärm noch Vogelgezwitscher drang herauf. Man hörte nur das Rauschen des Windes. Und was das Allerbeste war: A. war nicht da. Hanna hatte sich schon lange nicht mehr so frei gefühlt. In ihr stieg der Wunsch auf, für immer hier oben zu bleiben, wie der Zauberer von Oz.
Sie flogen über Old Hollis mit seinen viktorianischen Häusern und den unordentlichen Vorgärten. Dann über die King James Mall, deren Parkplatz noch beinahe leer war. Hanna lächelte, als sie über das Quäker-Internat hinwegflogen. Auf dem Rasen vor dem Haus stand ein moderner Obelisk, der den Spitznamen William Penns Penis trug.
Sie schwebten über Alison DiLaurentis’ altes Haus, das von hier oben trügerisch friedvoll wirkte. Daneben lag Spencers Anwesen mit der Windmühle, der Scheune und dem Pool. Ein paar Häuser weiter wohnte Mona in einem schönen Ziegelgebäude, das direkt an einen Kirschenhain grenzte. Die große Garage war ans Haus angesetzt. Direkt nach ihrer Transformation hatten Hanna und Mona mit Leuchtfarbe HM + MV = Friends For Ever auf das Dach gemalt. Sie hatten nie gesehen, wie der Schriftzug von oben eigentlich aussah. Hanna griff nach ihrem BlackBerry, um Mona eine SMS zu schicken.
Dann fiel es ihr wieder ein. Sie waren keine Freundinnen mehr. Hanna schluckte.
»Alles okay?«, fragte Lucas.
Sie schaute weg. »Ja, mir geht’s gut.«
Lucas zog die Augenbrauen zusammen. »Ich bin im Hellseherclub in der Schule, und wir trainieren unsere telepathischen Fähigkeiten. Ich kann es aus dir heraussaugen.« Er schloss die Augen und legte die Hände an die Schläfen. »Du bist traurig, weil … Mona ohne dich ihren Geburtstag feiert.«
Hanna unterdrückte ein Schnauben. Das war ja nun wirklich keine Kunst. Lucas hatte sie schließlich in der Toilette abgepasst, als sie in dieser schrecklich hysterischen Heul-Plapper-Laune gewesen war. Sie schraubte die Smoothie-Karaffe auf. »Bist du in allen Clubs, die es in Rosewood gibt?« Er war in dieser Hinsicht praktisch eine uncoole Version von Spencer.
Lucas öffnete die Augen. Sie waren von einem sehr klaren, hellen Blau – wie der Stift in ihrem Buntstiftkasten, der die Farbbezeichnung »Kornblume« trug. »Ich habe gerne was zu tun. Wenn ich untätig herumsitze, fange ich an zu grübeln.«
»Worüber grübelst du?«
Lucas’ Adamsapfel hüpfte, als er schluckte. »Vor einem Jahr hat mein großer Bruder versucht, sich das Leben zu nehmen.«
Hanna riss die Augen auf.
»Er ist manisch-depressiv. Irgendwann hat er aufgehört, seine Medikamente zu nehmen, und … irgendetwas hat ausgehakt bei ihm. Er hat eine Unmenge Aspirin geschluckt und ich habe ihn besinnungslos im Wohnzimmer
gefunden. Er ist seitdem in einer psychiatrischen Klinik und sie pumpen ihn dort mit echt vielen Medikamenten voll. Seitdem ist er … nicht mehr derselbe, und na ja.«
»War er auch auf der Rosewood Day?«, fragte Hanna.
»Ja, aber er ist sechs Jahre älter als wir. Du erinnerst dich wahrscheinlich nicht an ihn.«
»Gott, das tut mir so leid«, flüsterte Hanna. »Wie schrecklich.«
»Viele Leute würden sich nach so einer Sache wahrscheinlich daheim verkriechen, nur noch kiffen und Computer spielen, aber ich finde es besser, mein Gehirn ständig auf Trab zu halten«, sagte Lucas achselzuckend.
Hanna verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich erhalte mir meine geistige Gesundheit dadurch, dass ich eine Tonne Käsesnacks fresse und dann wieder auskotze.«
Ups. Sie schlug sich die Hand vor den Mund. Hatte sie das eben
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