Price, Richard
Weg zurück zu dem Schauspieler, doch als er an den Toiletten vorbeikam,
drückte er sich auf einen plötzlichen Impuls dort hinein, spülte alle Becken
und sammelte all die herumliegenden Zeitungen auf in der Hoffnung, dass Touhey
noch keinen Druck auf der Blase verspürt hatte.
Aus dem
gleichen Impuls heraus betrat er die Asservatenkammer gleich nebenan und
öffnete ein paar Fenster. Etwa dreißig zusammengeklammerte Papiertüten lagen
auf tiefen Stahlregalen, in jeder Kleider und Habseligkeiten von Leuten, die
einem Mord zum Opfer gefallen waren; bislang waren es in diesem Jahr
einundvierzig gewesen. Ab und an musste man etwas Luft hereinlassen, sonst
würde das Aroma von Blut, Gedärmen und Körpergeruch, das von den Regalen drang,
den Raum eng und ungemütlich erscheinen lassen. Rocco räumte das Zimmer auf,
fragte sich, warum zum Teufel er das tat, und kam sich vage gedemütigt vor,
obwohl er unbestreitbar in Hochstimmung war.
Draußen
auf dem Flur hockte sich Rocco wieder vor den Schauspieler und sah zu, wie
dieser die Großaufnahmen vom Tatort betrachtete.
Ungläubig
saß Touhey mit nach vorn gebeugtem Oberkörper da. »Ich wusste nicht, dass
Augäpfel derart hervorquellen können. Das ist doch echt, oder nicht?« Er hielt
ein Foto hoch.
Rocco
watschelte im Entengang um Touheys Stuhl herum, damit er ebenfalls das Bild
studieren konnte. Henderson war fotografiert worden, wie er über der Motorhaube
seines Wagens lag, sein Profil mit dem offenstehenden Mund in eine Blutlache
getränkt. Man hatte ihm in den Hinterkopf geschossen, und die von der Patrone
freigesetzten Gase hatten die Augäpfel zentimeterweit aus ihren Höhlen treten
lassen. Das Resultat war ein Ausdruck cartoonhaften Erstaunens auf dem Gesicht
des toten Mannes.
Touheys
Augen traten vor Verblüffung ebenfalls ein wenig hervor; aber vielleicht,
dachte Rocco, ahmte er den Typen nur nach, so eine Schauspielsache.
Plötzlich
drang ein hoffnungsloses Jaulen aus dem Vernehmungsraum, gefolgt von
rhythmischen Schlägen. Rocco und Touhey sprangen auf, Rocco betete, dass
Mazilli den Burschen nicht verprügelte, aber es war nur Maldonado, der seine
Stirn verzweifelt auf den Tisch knallte.
Mazilli
sah, wie sie durch das Fenster blickten, verdrehte die Augen, streckte die
Zunge seitlich heraus und ballte die Faust vor seinem Schritt.
»O Gott,
ich glaube, der Junge ist sauber«, murmelte Touhey.
Rocco
nickte und tat so, als denke er darüber nach. Er bemerkte, dass er und Touhey
exakt die gleiche Größe hatten: >Sieh mal einer an.<
Die Stimme
des Jungen, die durch die Tür gedämpft wurde, erhob sich zu einem hohen, rauen
Jammern. »Ich kenn diesen Typen nicht. Ich kenn diese Knarre nicht.«
Als Rocco
zum County-Gefängnis fuhr, setzte er den mit Handschellen gefesselten
Maldonado zu dem Schauspieler nach hinten, um den beiden einen kleinen Spaß zu
bereiten. Maldonado, der leicht nach vorn gebeugt dasaß und die Hände auf dem
Rücken hatte, sah Touhey ununterbrochen an und blinzelte, als ob er dachte:
>Woher kenn ich dieses blonde Arschloch?<, hielt Touhey vielleicht für
einen Pflichtverteidiger, weil er so gut gekleidet war und nach viel Geld
aussah.
Touhey sah
gequält drein. Rocco bemerkte, dass sein Mund arbeitete, als wolle er dem
Burschen etwas sagen, aber was nur, was ...
Nachdem
sie eine Stunde lang zugesehen hatten, wie Mazilli Maldonado gepiesackt und
ihm mit jedem nur erdenklichen Klischee gedroht hatte, von dreißig Jahren
Finsternis bis zu unaussprechlicher sexueller Knechtschaft, nachdem sie eine
Stunde lang zugesehen hatten, wie der Junge mit einer herzzerreißenden
Darstellung überraschter und zitternder Unschuld reagiert hatte, war es Rocco
schließlich langweilig geworden, und er hatte beschlossen, das ganze verdammte
Drama zu beenden. Er ging ins Dienstzimmer zurück, um sich allein mit dem Vater
des Jungen zu unterhalten, und sagte dem alten Mann schlicht und einfach, dass
er seinem Bolida-Geschäft auf Wiedersehen sagen könne, wenn sein Sohn nicht
innerhalb der nächsten fünf Minuten die Waffe rausrückte. Und in der Zeit, die
Mazilli brauchte, um draußen eine Zigarette zu rauchen, während Rocco und
Touhey neben ihm saßen und zusahen, wie die Sonne hinter Stahlträgern des
Majeski Skyway unterging, hatte Nelson Maldonado seinen Ton geändert und
beschlossen, reinen Tisch zu machen und die Mordwaffe herauszurücken. Rocco
hatte keine Ahnung, womit der Vater dem Jungen drohte, das schlimmer war als
das
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