Prickel
vorher hatte sie an der Bar dieses Essener Billardcafes ein paar Worte mit Det gewechselt, war dann aufgestanden, um zum Klo zu gehen, und ein großer Kerl mit einer Tätowierung im Gesicht hatte ihr im Vorbeigehen einen Klaps auf den Hintern gegeben und rauh gelacht dazu.
Det hat ihn dafür sofort in die Mangel genommen. Es ist eine furchtbare Szene geworden. Zwei Freunde des Kerls haben sich noch eingemischt, und Det hat einem von ihnen einen Billardstock in den Mund gerammt und dem anderen eine Platzwunde am Kopf beigebracht, die unwahrscheinlich geblutet hat - doch irgendwie scheint er Nina damit imponiert zu haben. Denn als wir sie Stunden später - zufällig - an ihrem Arbeitsplatz in einer Kellerbar wiedertrafen, ließ sie uns heimlich Getränke zukommen und raunte Det einmal kurz etwas ins Ohr, daß der sich an einem Eiswürfel verschluckte.
Und jetzt waren wir mit ihr verabredet, so behauptete Det zumindest. Ich traute dem Braten nicht so recht, und dennoch ging ich mit, wie immer.
Es war ein säuisch kalter Abend Ende Februar, und wir waren beide dick eingepackt mit Mützen, Schals und Handschuhen. Das war auch nötig, denn um in das abgelegene Viertel von Bottrop zu gelangen, wo Nina wohnte, mußten wir insgesamt fünfmal umsteigen, und der Wind pfiff nur so durch die Straßen und über die Bahnsteige.
Ja, wir waren zu ihrer Wohnung unterwegs, etwas, das mir auch nicht so recht schmeckte. In der Kneipe fällt es nicht zu sehr auf, wenn man nicht viel redet, meist schreit ja sowieso alles durcheinander, und keiner hört hin. Doch im privaten Kreis würde Nina bestimmt erwarten, daß ich mich ... am Gespräch beteilige, wie man so sagt. Und davor war mir bange. Ich weiß bei solchen Gelegenheiten nie, was ich sagen soll. Und wenn ich dann tatsächlich etwas sage, hat es meist mit einem Thema zu tun, das die anderen schon lange abgehakt haben, und das Schweigen, das dann folgt, ist immer so . betreten. So peinlich.
Gleichzeitig machten mir Dets Andeutungen und Versprechungen Herzklopfen, hoch bis zum Hals.
Wenn ich sage, ich kenne mich in Ratingen so gut wie gar nicht aus, stimmt das sicherlich, doch wer ja nun überhaupt keinerlei Checkung von dieser Stadt hat, sind die Ratinger selber.
>Muß ich mich eben durchfragen<, hatte ich mir gedacht. Oo-ha! Dabei waren die Leute durchaus freundlich und hilfsbereit. In Mülheim, zum Beispiel, kriegt man als Ortsfremder ja überhaupt keine Antwort mehr. Seit sich eine Handvoll Wahnsinniger im Stadtplanungsamt vorgenommen hat, die Verkehrsführung dieser Stadt bis zu einem sämtliche Grenzen der Phantasie sprengenden Masse zu verkomplizieren, und sie dies auch seit zwanzig Jahren mit der für einen komplett aus dem Ruder gelaufenen Behördenapparat typischen Sorgfalt übereifrig in die Tat umsetzen, haben es sich die Mülheimer angewöhnt, bei Fragen nach dem richtigen Weg regelmäßig ihre Herkunft zu leugnen. Viele haben sich einen anderen Dialekt oder einen fremdländischen Akzent zugelegt, nur um glaubhafter zu wirken.
Denn es hätte wirklich keinen Zweck. Man kann einem Ortsunkundigen diesen künstlich geschaffenen automobilen Irrgarten aus willkürlich eingerichteten Einbahnstraßen, ins Nichts führenden Ortsumgehungen, durch ehemals ruhige Seitengäßchen geleiteten Hauptverkehrsadern, hirnrissigen Umleitungen und ebenso zahl- wie sinnlosen Sackgassen nicht erklären, es geht einfach nicht. Wenn es auch bei der Idiotie so etwas wie einen Zustand der Vollkommenheit gibt, die Mülheimer Verkehrsführung müßte ihn irgendwann in den nächsten Tagen erreichen.
Anders in Ratingen. >Ja, kein Problems sagen die Leute mit einem Lächeln und schicken einen dann irgendwohin. Ob es sich dabei um die richtige Adresse oder auch nur ungefähr um die richtige Richtung handelt, schert sie wenig. In Ratingen ist man überall richtig, scheint ihre Ansicht zu sein. An einer Kreuzung geriet ich mit meiner Frage an einen ganzen Pulk. Mann, davon hatte ich gerne ein Foto gehabt! Jeder, ungelogen jeder einzelne, zeigte in eine andere Richtung, einer sogar senkrecht nach oben. Schließlich gab ich auf, kaufte mir an einer Tankstelle einen Stadtplan und bat den Tankwart, mir mal eben zu zeigen, wo genau auf der Karte wir uns befanden. Er wußte es nicht! Doch statt das zuzugeben, tippte er mit dem Finger einfach irgendwohin, und ich sollte anschließend eine geschlagene Viertelstunde brauchen, bis ich dahinterkam. Ratingen ist ein Fall für sich.
Es war fünf, und es war
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