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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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»Du hast es Kurt Hoffmann erzählt, und der hat es mir erzählt.«
    »Ach so.« Beruhigt nahmen beide ihr Mahl wieder auf.
    »Ja, das stimmt«, sagte Ata und gab einem Buffi einen weiteren Schluck Zersetzungshilfe mit. »Astreine Teile. Generalüberholt. Zwanzig Stück. Günstig! Warum, willst du einen?«
    »Nein«, sagte ich langsam, und wog den Kopf hin und her. »Nicht einen. Ich will sie alle.«
    Die beiden sahen mich, na, leicht skeptisch an.
    »Immer langsam«, meinte Ata und verteilte mit dem Handrücken Essensreste von der Front in mehr seitlich gelegene Regionen seines Bartes, »bist du dir überhaupt darüber im Klaren, was für Summen hier im Raum stehen?«
    »Kosten echte Kohle, die Dinger«, meldete sich Larry zu Wort.
    »Außerdem«, Ata durchforstete sein Gebiß mit der Zunge, »stehen wir ja selbst erst in Verhandlungen. Wir brauchten da schon zumindest eine Anzahlung. Und - nimm's mir nicht übel - aber was willst du mit zwanzig Motoren? Mimst du nicht mehr den Thomas Magnum von Eppinghofen?«
    »Doch«, sagte ich und ließ das Wörtchen einwirken.
    Als erster runzelte Ata die Brauen. Er sah Larry an. Larry sah ihn an und dann mich. Er sagte: »Diese Polen, das sind Halsabschneider. Billig wird das nicht. Heute abend wollen die noch mal hier vorbeikommen. Verhandeln. Zähe Feilscher sind das. Können wir dich irgendwo -« Hier fiel ihm auf, daß Ata sich gerade das dritte Mal räusperte, jedesmal etwas lauter als vorher. Er verschluckte das Satzende. Nach einem Moment intensiven Blickaustausches mit seinem Partner faltete sich auch ihm die Stirn.
    »Laß Kristof sich aussprechen«, sagte Ata. »Ich geh inzwischen und mach den Hund los.«
    Die beiden waren zu zweit. Das hieß, ich würde etwas höher rangehen müssen als bei Kurt oder Dohle. Ich stoppte Ata, der auf dem Weg zur Tür war, mit der Hand und sagte: »Ihr wißt so gut wie ich, daß die Motoren geklaut sind.«
    Kopfschütteln, betretenes Zungenschnalzen, unschuldige bis ganz leicht beleidigte Mienen. Jedoch kein glattes Leugnen.
    »Sagen wir, sie sind auf postalischem Wege verloren gegangen«, bot Ata an.
    »Befinden sich momentan zwischen Eigentümern«, beschrieb es Larry.
    »Tausend«, sagte ich, »wenn ihr mir sagt, wo ich die Dinger finden kann. Das ist die Hälfte von dem, was ich dafür kriege.«
    Beide schüttelten sofort und ernst den Kopf.
    »Können wir nicht machen«, sagte Ata. »Erstens sind das Kollegen von uns -«
    »- und zweitens wissen wir selber nicht, wo sie die Brocken haben«, führte Larry seinen Satz zu Ende.
    Dann wollten sie wissen, wer mein Auftraggeber ist, was ich selbstverständlich für mich behielt, und rieten mir beide mehrmals eindringlich, meine Nase aus der Angelegenheit raus zu lassen, zu meinem eigenen Schutz. Und hier um den Schrottplatz herumzuschnüffeln wäre völlig zwecklos. Sie seien jetzt gewarnt, meinten sie.
    Ich bedankte mich für die Ratschläge und verabschiedete mich.
    »Hier«, sagte Ata zum Abschied und drückte mir etwas in die Hand, »nimm eine. Wir haben eine ganze Kiste von den Dingern.«
    Ich sah auf das Stück Plastik in meiner Hand. Es war eine Telefonkarte mit der Aufschrift >75 Jahre Sparkasse Mülheim an der Ruhr<.
    »Hat der Paketdienst irrtümlich hier abgeliefert«, sagte Ata noch.
    Ich ließ mich von Zorro in höflichem Abstand ans Tor begleiten.
    Was den Straßenverkehr angeht, habe ich so meine eigenen Theorien. Willst du zügig vorankommen, sage ich immer, mußt du den Weg des geringsten Widerstandes gehen. Es nutzt nichts, seinem trödelnden Vordermann hinten reinzusemmeln und Vollgas zu geben. Spätestens, wenn der in die Eisen tritt, ist der Spaß vorbei. Deshalb rate ich dazu, wenn man in Eile ist, die anderen Verkehrsteilnehmer zu umschiffen. Ist es links frei, sollte man nach links ziehen, sieht es rechts besser aus, sofort nach rechts. Ist nur die Gegenfahrbahn oder der Radweg halbwegs frei, darf man auch hier nicht zögern.
    Und ich war in Eile. Alles dauert immer länger, als man denkt.
    Ich stach durch den Verkehr wie der Öffner durch die Dose, und doch schien ich mich Ratingen nur im Schneckentempo zu nähern; als wäre die Erdbeschleunigung gegen mich. Die Erdbeschleunigung und die Ampelphasen. Ampeln hassen mich sowieso. Selbst wenn ich Zeit habe, schalten sie alle immer sofort auf Rot, sobald ich daherkomme. Bin ich aber obendrein in Zeitdruck, unterschlagen sie sogar das Gelb dabei. Und haben sie mich einmal zum Stehen gebracht, schalten sie nicht

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