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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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anhören müssen. Neid, nehme ich an.
    Kaum waren wir mit denen des Kaninchens soweit, begannen wir, uns die Knochen abzunagen. Gegenseitig. Erst auf der Couch, dann auf dem Teppich, dann an verschiedenen Orten kreuz und quer durch die Bude. Sie geriet in Stimmung, sie geriet in Wallung, sie geriet in Form, sie geriet in Höchstform, sie geriet außer Kontrolle. Es war nur schwer zu glauben.
    Und ich hatte Scuzzi noch befragt. Zu Risiken, Nebenwirkungen, Dosierungen und der Verträglichkeit zusammen mit, zum Beispiel, Alkohol.
    >Ausprobieren<, hatte er mir geantwortet. >Das ist von Typ zu Typ verschieden.<
    Von Typ zu Typ verschieden. Sowas kann ins Auge gehen.
    Wenn ich mit der Katze zum Tierarzt muß, dann weiß die das. Wenn ich vorhabe, sie zu diesem Zweck in eine Reisetasche oder einen Pappkarton zu sperren, dann weiß die das schon, bevor ich auch nur >Reise-< oder >Papp-< gedacht habe. Letztes Mal hatte sie irgend etwas an den Augen, und ich mußte dreimal hintereinander mit ihr dahin. Beim dritten Mal hatte ich endgültig die Faxen dicke. Zwei Paar Hemdsärmel in Fetzen, beide Unterarme dick verpflastert, dazu ein verstauchter Knöchel und eine dicke Beule am Kopf von den Verfolgungsjagden über Tische und Bänke, das langte. Nein, sagte ich mir, das muß auch anders gehen. Also habe ich ihr ein paar gestoßene Tranquilizer unter ihr stinkendes Futter gemixt.
    24 Stunden später konnte ich sie einsammeln wie ein Plüschtier. Doch bis dahin ist sie die Wände rauf und runter, bis keine Tapete mehr dran war.
    Während wir also die Badewanne zum Schwappen, den Küchentisch zum Wackeln und die Bettfedern zum Schnappen brachten, während wir den ganzen, langen Läufer im Flur erst zu einem Haufen zusammen- und dann noch ein Stück die Wand hoch schoben, während meine Rippen knirschten wie ein morscher Weidenkorb und mir die harten Krusten von Kreuz gekrallt und neue Furchen neben die alten gezogen wurden, während ich also mittendrin war in einer Art wollüstigem Zweikampf bis aufs Blut, während all dieser keuchenden, schwitzenden, frenetischen Action stand ich zur selben Zeit gleichsam kühl daneben, eine Hand am Kinn und ein zweifelndes Auge auf der Uhr, tief in Gedanken versunken. Was, fragte ich mich, war denn wohl diesmal schiefgelaufen?
    Die Katze ging mir nicht aus dem Kopf, und als ich mich erinnerte, wie lange sie gebraucht hatte, um von den Pillen wieder runterzukommen, mußte ich kurz gegen eine drohende Ohnmacht ankämpfen.
    Gegen elf, als ich langsam soweit war, Triathleten als Laumeier zu belächeln, ließ sie plötzlich von mir ab. Wie es der Zufall wollte, befanden wir uns gerade mal wieder im Bett. Ich lag schweißgebadet auf dem blutig gekratzten Rücken in klatschnassen Laken, ich hyperventilierte, ich spürte den Mann mit der Sense die Treppen hochhasten.
    »Kristof?« fragte sie schnurrend und ließ ihr Haupt auf ein Kissen sinken und ich dachte: Nein. Egal, was es ist, die Antwort ist nein. Ich kann nicht mehr. Ich will nicht mehr. Ich habe es hinter mir. Ein für allemal. Jeder kann es wissen: Kryszinski hat ausgefickt.
    »Weißt du eigentlich, was du bist? Du bist ein -«
    Ich sollte es nie erfahren. Sie ging aus wie ein Rennmotor.
    Bei Zwölftausend Touren vom Gas und - Spotz. Poff. Aus. Keine dreißig Sekunden später begann sie sanft zu schnarchen.
    Vorsichtig schwang ich die Beine aus dem Bett. Der stechende Geruch verbrannten Gummis stieg von meinen Lenden auf. Meine Eier fühlten sich an, als ob mein Schwanz seit heute morgen an eine Vakuumpumpe angeschlossen gewesen wäre. Und mein Schwanz wiederum fühlte sich an, als wäre er entschlossen, sich bei der geringsten Berührung sofort in die sichere Bauchhöhle zurückzuziehen. Und ich selber, so im Ganzen, fühlte mich wie ein Ärmelkanalschwimmer, der bei der Ankunft am anderen Ufer feststellen muß, daß ihm wohl am Start irgendein Witzbold einen Eimer hintendran gebunden hatte.
    Ein Blick auf die Uhr zwang mich in die Höhe. Meine Karkasse war wacklig wie die von einem 14 Tage toten Esel. Vor Weihnachten, da war ich mir sicher, würde ich keinen mehr hochkriegen.
    Charly wartete vor Scuzzis Haus. Er saß tatsächlich in seines verhaßten Bruders über alles geliebtem Geländewagen, einem gnadenlos aufgemotzten, silberfarbenen Mercedes G-Modell mit Pullmann-Ausstattung und einem 6 Liter-V8. >Schweinezüchters Traum< nenne ich die Kiste immer. Es hat ein Vermögen gekostet. Die Ausziehleiter auf dem Dach wirkte daran wie ein

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