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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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ich, »ich arbeite ziemlich oft für Anwäl-«
    »Wenn wir mal mehr Zeit haben«, unterbrach er mich.
    »... und eine Hand wäscht die and-«
    Mit einer scharfen Wendung seines Kopfes sah er mich an. »Wo waren Sie letzte Nacht?«
    Mist. Das war die falsche Einleitung. Für den Fall, daß er als erstes >Wo kommen Sie jetzt her?< gefragt hätte, hielt ich eine Tüte Brötchen in der Hand. Typisch für ihn, das zu durchschauen. Ich drückte das Kreuz durch und gab mein Bestes, munter, ausgeschlafen und völlig verwundert dreinzublicken. »Warum?« fragte ich und streute zusätzlich noch eine Prise ehrlicher Unschuld auf meine Verwunderung.
    Menden schloß kurz die Augen und atmetet einmal tief durch. »Kryszinski«, sprach er dann leise und mit bemühter Geduld, »bitte ersparen Sie uns diese Show, ja? Sie sind doch nicht im Ernst der Ansicht, die Augen aufzureißen wie Hera Lind beim Fototermin würde mich wirklich von den beiden schwarzen Halbmonden darunter ablenken? Oder?«
    Das einzugestehen schien einigermaßen gefahrlos. Und das war das Gefährliche. Einmal anzufangen, Menden gegenüber etwas zuzugeben konnte bedeuten, daß man den Punkt verpaßte, rechtzeitig wieder damit aufzuhören. Ich legte die Brötchen auf den Tisch und murmelte etwas über zuviel Arbeit in der letzten Zeit, zuwenig Schlaf; er wisse ja sicherlich, wie das sei. Er schnaubte nur verächtlich. Mit plumper Anbiederung, hieß das, kam ich bei ihm nicht weit.
    »Tun Sie mir einen Gefallen?« fragte er. »Sagen Sie mir, wo Sie heute nacht waren? Jetzt sofort? Ich weiß, daß Sie ein Alibi haben. Also geben Sie's mir einfach, und ich prüfe es auf Löcher und dann sehen wir beide weiter.«
    »Wieso . woher .« ich stammelte ein bißchen, einmal gefangen in meiner Rolle als ahnungslos unschuldig Verdächtigter - wessen eigentlich? - »was ist denn überhaupt los? Wieso meinen Sie zu wissen .«
    »Kryszinski!« Die Katze sprang auf den Küchenschrank vor Schreck. »Stehlen Sie mir nicht meine Zeit! Ich bin mir sicher, daß selbst Sie nicht so dämlich sind, einem Mordverdächtigen zur Flucht zu verhelfen, ohne für die betreffende Zeit ein Alibi vorweisen zu können. Also spucken Sie's schon aus! Man sieht Ihnen doch auf hundert Meter an, daß Sie es kaum erwarten können.«
    »Was, wer, ich? Wen? Befreit?« Ich setzte mich, als ob der Druck einer solchen Anschuldigung zu schwer auf mir lastete.
    Menden sah mich düster an. Es war klar, daß ich, hätte er eine zu vergeben, so ziemlich der Letzte wäre, der die Rolle kriegen würde. »Ihr Klient Bernd Roselius ist letzte Nacht gewaltsam aus dem Christopherus-Asylum befreit worden. Der Anstaltsleiter hat den starken Verdacht geäußert, daß Sie dahinterstecken könnten.«
    Na, hatte ich nicht recht gehabt?
    »Also fahre ich hierher, und wer ist nicht da, sondern kommt erst zwei Stunden später zur Türe herein, völlig übernächtigt, was an sich nichts Ungewöhnliches ist, aber nüchtern dabei und mit einer Brötchentüte in der Hand für den Fall, daß meine erste Frage lauten sollte: >Wo kommen Sie jetzt her?<«
    Ich sah etwas perplex drein und stieß etwas Luft aus, lehnte mich über den Tisch und trommelte mit den Fingernägeln darauf herum. Dann pfiff ich leicht durch die Zähne. Menden beobachtetet mich reglos. Er ist einer der wenigen Männer, die einfach so mitten im Raum stehen können. Einfach so stehen. Für eine beliebig lange Zeit.
    Eine Weile verstrich. Wir sagten beide nichts. Ich dachte nach, kaute meine Unterlippe durch, und Menden sah mir dabei zu.
    Schließlich kam ich zu einem Schluß. Ich sagte: »Sie sagen >befreit    Er legte den Kopf ein wenig schräg und schenkte mir einen Blick, der von Sorge geprägt war. Sorge um meine geistige Verfassung. »Ja, das will ich meinen«, sagte er.
    »Wenn jemand hingeht und mittels eines wahrscheinlich gestohlenen Geländewagens die Zellenwand eines wegen Mordverdacht Einsitzenden aus der Fassade reißt und anschließend mit dem Delinquenten zusammen fluchtartig in der Nacht verschwindet, nenne ich das >befreit<. Hätten Sie einen passenderen Ausdruck?«
    Ich versuchte, alle Blauäugigkeit der Welt in meine braunen Augen zu legen, sah zu ihm hoch und sagte: »Ja. denn ich wüßte nicht, wer ein Interesse daran haben könnte, ihn zu >befreien<. Meine Befürchtung ist, daß er entführt wurde.« Ich ließ das einen Moment einwirken.
    »Und zwar, um ihn zu beseitigen.«
    Menden nickte. »Das ist gut«, fand er. »Und da Sie selbstredend

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