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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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lange Schritte bis dahin, zwanzig grell erleuchtete Schritte vorbei an einer mißtrauisch wirkenden Fensterfront. Jeden Moment erwartete ich, jemanden rufen zu hören. Am Van angekommen, öffnete ich die Fahrertüre. Der Schlüssel steckte. Ich schwang mich hinein. Immer noch kein >Hee, was machen Sie denn da?!< Rasch drehte ich den Schlüssel. Mit leisem Wummern sprang der Motor an. Mein Herz trommelte im Brustkob, und mir war eigentümlich zum Lachen zumute, als ich den Wählhebel auf >D< stellte.
    »Da vorne sind sie«, sagte Charly. Er hockte nervös neben mir, nervös deshalb, weil ich fuhr, während unser Bernd dagegen gemütlich hinten auf der Bahre vor sich hinschnarchte. Wir hatten das Blaulicht an, aber keine Sirene. Man kann es auch übertreiben.
    »Überlaß mir das Reden«, sagte ich und griff nach der Brille. Einmal im Schwung, fühlte ich mich eins mit meiner Rolle. Dr. Timm, Notarzt im Breitwand-Format. Leicht sehbehindert, vielleicht, was ihn aber nicht davon abhält, Auto zu fahren wie ein Henker und genauso munter das Skalpell zu schwingen.
    Ohne groß vom Gas zu gehen, stochte ich auf die Straßensperre zu. Hundert Meter vorher schmiß ich die Sirene an. Die Bastarde machten trotzdem keinen Platz.
    Ich brauchte mir gar keinen dicken Hals anzuzüchten; er kam ganz von alleine. Was bildeten diese Heinis sich ein?
    Die Sirene verebbte, als wir vor dem quergestellten Streifenwagen zum Stillstand kamen. Ich ersetzte sie, so gut es ging, halb aus dem Fenster hängend. »Sind Sie von Sinnen?« herrschte ich den erstbesten eines guten Dutzends schwerbewaffneter Kampfanzüge an. »Aus dem Weg! Dies ist ein Notfall, Mann!« Er verzog keine Miene. Schüttelte nur militärisch knapp den Kopf und sagte: »Wir haben den Befehl, jedes Fahrzeug zu durchsuchen. Jedes.«
    An der Rückseite des Wagens hörte ich jemanden am Türgriff rappeln, und rund um jede meiner Haarwurzeln spürte ich dieses Kitzeln, das spontane Schweißbildung so mit sich bringt.
    »Ja, begreifen Sie nicht?« Meine Stimme klang um einiges schriller, als ich beabsichtigt hatte.
    »Hier hinten ist abgeschlossen«, kam es von hinten. (Schließlich bin ich nicht blöd.)
    »Mein Patient stirbt, wenn er nicht augenblicklich operiert wird!« Ein zweiter Kampfanzug trat neben den ersten. Er hatte ein paar Knöpfe mehr auf der Schulter.
    »Es dauert nur einen Moment«, sagte er mit stoischer Miene und unerschütterlicher Autorität.
    Routiniert ließ er seinen Blick zwischen dem Wisch, den er in Händen hielt und meinem Gesicht hin- und herwandern. Es war ein Fax. Mit einem Fahndungsfoto. Er hatte ganz recht. Nur einen Moment noch, und es wäre vorbei. Nur ein Blick auf unseren >Patienten<, und hier würden gleich die Handschellen schnackein. Die Schlaffheit der Niederlage griff nach mir. Mattigkeit wollte mich überkommen. Der Wunsch, aufzugeben, sich zu stellen, die Verantwortung für alles weitere in die Hände eines stoisch dreinblickenden Vertreters der übermächtigen Staatsmacht zu legen, drohte, meinen Willen zu erlahmen wie eine Überdosis. Direkt hinter mir wälzte sich der Mann auf dem Fahndungsfoto ächzend im Schlaf.
    »Oh verdammt!« fluchte Charly panisch, stemmte sich aus seinem Sitz und beugte sich formatfüllend über ihn.
    »Er entgleitet mir! Die Atmung stockt!«
    »Gut«, stieß ich eisig hervor und schaltete demonstrativ den Motor ab. »Toll. Wie Sie wollen.« Ich riß den Schlüssel aus den Zündschloß und hielt ihn baumelnd aus dem Fenster. »Durchsuchen Sie ruhig den Wagen. Stellen Sie ihn auf den Kopf. Lassen Sie sich Zeit. Aber alles weitere«, fügte ich, ohne dafür die Zähne auseinanderzunehmen hinzu, »liegt von jetzt ab einzig und allein in IHRER Verantwortung!«
    »Sein Puls! Ich spür seinen Puls nicht mehr!« Charly pumpte Roselius' Arm in mitreißender, wenn auch, seien wir mal ehrlich, nicht sehr fachmännischer Art und Weise. Der erwachte, verständlicherweise, und klärte geräuschvoll seinen Hals, wohl, um sich über diese Behandlung zu beschweren. Es klang erfreulich röchelnd.
    »Ich brauche sofort zwei Ihrer Leute«, sagte ich und machte Anstalten, auszusteigen, alarmiert und doch ganz Herr der Lage. Leben und Tod, ah, das haben wir alle Tage. »Sofort! Wir werden an Ort und Stelle einen Luftröhrenschnitt vornehmen müssen!« Ich ließ eine Geste folgen, mit dem Daumennagel. Heute weiß ich es besser: Ein Luftröhrenschnitt geht nicht quer über die ganze Gurgel. Doch das nur nebenbei.
    »Nun fahren Sie

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