Priester des Blutes
der Schlinge festband und diese mit dem Seil verband, an dem ich heruntergelassen worden war.
Sobald ich fühlte, dass mein Werk vollendet war, pfiff ich gellend. In diesem Augenblick glaubte ich eine Bewegung innerhalb des Netzes wahrzunehmen.
Die Männer über mir holten schon das Netz ein, und es bewegte sich schnell nach oben, da der Greif nicht so schwer war, wie er ausgesehen hatte.
Bald darauf fiel das Seil herab und ich tastete in der Dunkelheit danach. Ich knotete Sitz und Schlaufe daran fest und wurde wieder hochgezogen.
Als ich den Rand des Brunnens erreichte, sah ich, dass alle außer den beiden Männern, die mich nach oben gezogen hatten, um die Bestie im Netz versammelt waren.
Das Gesicht meines Lehrmeisters wirkte aschfahl. Er zog sein Schwert und hielt es gezückt.
Andere Männer schnitten das Netz auf.
Die Flügel sahen anders aus, als ich er wartet hatte. Mir war gesagt worden, dass Greife Schwingen wie Habichte mit goldenen Federn besäßen, von denen ein wunderbarer Glanz ausginge. Doch diese Flügel ähnelten denen eines Drachen und wirkten wie Aalhaut, die über gewölbte Knochen gezogen worden war. Die Flügel waren auch ausgefranst, aber wenn sich diese Bestie, wie es hieß, so lange in dem Brunnen befunden hatte, wie die Erinnerungen der Weisen Frauen zurückreichten, so hatte sie sich ohne Zweifel an den Felsen und der Steinmauer des Brunnens aufgerieben, um hinauszugelangen.
Der Jäger sagte: »Es ist der Teufel selbst.«
Erschüttert blickte ich ihn und die anderen an. Dies konnte nicht der Teufel sein. Das war einfach nicht möglich. Der Mann namens Reinald zog einen der Flügel zurück, indem er sein Schwert benutzte.
Unter den riesigen Flügeln kam der Leib eines Mannes zum Vorschein. Er war aus gedörrt und ver trocknet, wie ein Leichnam, und trug keine Kleidung. An seinem Körper war kaum ein Quäntchen Fett zu finden, er schien nur aus Haut und Knochen zu bestehen. Doch als die Flügel beiseitegezogen worden waren, öffneten sich seine Augen, und seine Lippen, die ausgefranst und ausgetrocknet waren, teilten sich ein wenig. Die Augen waren von einem totenblassen Weiß, und für einen Augenblick sah ich seine Zähne, die denen eines Wolfes glichen.
Rasch zog Reinald sein Schwert und hob es in die Höhe, über den Hals der Kreatur. Er hieb auf sie ein und sägte dann damit, um den Kopf vom Körper zu trennen. Danach stieß er das Schwert in die Brust des Wesens und drehte es hin und her, als suchte er nach seinem Herzen. Er zog sein Schwert heraus, es tropfte jedoch
überhaupt kein Blut herab: das erstaunte mich besonders. Der Anblick ließ mich schaudern, und ich wage zu behaupten, dass wir in diesem Augenblick alle das Gefühl hatten, uns gefröre das Blut in den Adern.
Dann schleuderte Reinald sein Schwert zu Boden, als wäre es verflucht.
Zuerst blickte er den Jäger an und dann mich, indem er auf mein Gesicht deutete. »Du hast uns zu dem Hand langer des Teufels gebracht, Junge. Das bedeutet Verdammnis.«
Ich stand da, zitternd, verwirrt, bis der Jäger zu mir trat und sagte: »Ich habe von diesen Wesen gehört, Falkner. Ich habe zwar von ihnen gehört, glaubte aber nicht, dass sie existieren. Die Kriege brachten dieses, da bin ich mir sicher, aus dem Osten hierher, gemeinsam mit anderen Übeln. Es ist ein Dämon, der Plagen über uns bringt.«
»Ich dachte, es sei ein Greif. Wirklich. Ich dachte, es sei ein Greif«, sagte ich, indem ich mich fühlte, als hätte ich ein überaus schlimmes Verbrechen begangen.
»Wir müssen die Bestie verbrennen«, verkündete Reinald und holte sich eine der Fackeln von seinen Kameraden. »Dann müssen wir ihre Asche verstreuen, damit die Dämonen niemals ihren Weg zurück aus der Hölle finden.«
Er hielt die Flamme der Fackel an den Körper und stieß sie in die Brust hi nein. Die ölige Haut der Kreatur fing Feuer, das sich rasch bis zu den Flügeln ausbreitete.
Wir versammelten uns alle um den brennenden Dämon, der nach einer Mischung aus Schwefel und Wildbret stank. Auf unseren Knien beteten wir das Vaterunser.
An jenem Abend schlugen wir unser Lager nur für eine kurze Zeit auf, denn die Männer hatten beim Anblick des geflügelten Dämons ihren Mut verloren. Es war für sie alle ein schreckliches
Omen. Obwohl ich nicht gewusst hatte, was auf dem Grunde des Brunnens lag, konnte ich an ihren Blicken doch sehen, dass ich dafür verantwortlich gemacht wurde, sie zu diesem unheiligen Ort, diesem dämonischen Platz,
Weitere Kostenlose Bücher