Priester des Blutes
Tiere für die Tafel des Barons zu beschaffen. Wenn Wölfe das Wild des Barons angegriffen hatten, half ich dabei, die Fackeln für meinen Herrn, den Jäger, und seine Männer zu tragen, und wir scheuchten die Tiere und jagten sie aus dem Wildpark des Barons am Waldrand hinaus.
Schließlich, als ich meine Tapferkeit unter den Wölfen mehr als einmal unter Beweis gestellt hatte, befahl der Baron meinem Herrn, mich zu seiner Tafel zu bringen und bei ihm zu sitzen,
während er speiste. Er war ein verwachsener Mann: Einer seiner Arme war immer gebeugt; es hieß, er wäre in zahlreichen Schlachten gebrochen worden und in dieser Haltung wieder zusammengewachsen. Auch seine Nase bewegte sich zur linken Seite, wenn er lachte oder knurrte, und er besaß nur ein Auge. Das andere war von einer krankhaft milchig-weißen Färbung, wenngleich er die Lider so geschlossen hielt, dass es schwierig war, einen Blick darauf zu erhaschen. Dennoch verliehen Reichtum und Freundlichkeit seinen Zügen ein anziehendes, angenehmes Aussehen, und ich hatte nicht die geringste Furcht vor ihm.
»Du bist für deine Kenntnisse über Vögel berühmt«, sagte er, nachdem er einen Bissen genommen hatte. Er beugte sich näher zu mir. »Ich wünsche mir für meine Frau, die Baronin, einen kleinen Vogel, der für sie singt, wenn sie im Winter traurig ist. Kannst du einen für mich finden?«
»Das ist sehr leicht«, antwortete ich. »Denn die Lerche singt ein süßes Lied, und ich habe davon viele aufgezogen.« Das entsprach der Wahrheit - zahlreiche vornehme Damen genossen es, einen Vogel im Käfig zu besitzen, der in den harten Wintermonaten für sie musizierte, und ich hatte schon viele Singvögel auf dem Felde gefangen.
»Ich habe gehört, dass du einen Vogel das Beten lehren kannst«, sagte er.
»Das Geheimnis liegt nicht so sehr darin, ihn etwas zu lehren«, entgegnete ich, »sondern vielmehr in dem Talent des Vogels zur Nachahmung. Die Vögel, die sich dafür eignen, sind der Rabe und die Dohle. Ich kenne keine anderen, die sprechen können.«
»Sie ist schon seit einer ganzen Weile krank«, sagte er, wobei sich sein Gesicht verdüsterte. Dies war sein geheimer Kummer, und auch wenn er am Hofe bekannt war, sprach niemand von uns über die Krankheit der Baronin, um kein Unglück über sie und uns zu bringen. »Ich möchte ihre Stimmung heben. Kannst
du nicht eine Dohle lehren, sanfte Worte zu ihr zu sagen, damit sie etwas zu lachen hat? Es wäre wunderbar für mich, sie wieder lachen zu hören - oder zumindest lächeln zu sehen.«
Ich arbeitete fleißig an meiner Aufgabe, indem ich Fallen in der Marsch aufstellte, bis ich schließlich eine junge Dohle fing, die erst kurz zuvor das Nest verlassen hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, dass sich mein Großvater geirrt hatte, was das Spalten der Zunge anging - es war nicht notwendig, auch nicht bei Raben. Mir wurde klar, dass der Vogel stattdessen seinem Lehrer vertrauen musste und dass die Worte, die er sprechen sollte, ständig wiederholt werden mussten. Ich ver brachte zwei Monate mit dem kleinen schwarzen Vogel, fütterte ihn mit meinen Lippen, und die einzigen Worte, die mir für ihn ein fielen, waren folgende: »Ich liebe Euch, liebe Dame, von ganzem Herzen«. Obwohl er sich den Unterweisungen anfangs widersetzte, begann der kleine Vogel meine Worte in einer gekrächzten Fassung meiner eigenen Stimme zu wiederholen, gerade als ich die Hoffnung aufgegeben hatte, ihm das Sprechen beibringen zu können: »Liebe Dame.«
Ich baute einen großen, geräumigen Käfig für den Vogel, den ich Luner nannte, ein Name, der mich stets zum Lachen brachte, wenn ich ihn hörte. Dann über reichte ich ihn meinem Herrn, der ihn zu dem Baron und seiner Frau brachte. Des Nachts lag ich wach und stellte mir vor, wie sie, mit einem Winterfell bedeckt, in ihrem Zimmer vor dem Feuer lag und ihr Haustier Luner mit Brot fütterte, während der Vogel mit meiner Stimme sagte: »Liebe Dame.«
Eines Nachmittags kam ein Diener zu mir und befahl mir, die Baronin in ihren Gemächern zu besuchen. Als ich dort eintraf, voller Ehrfurcht vor der riesigen Feuerstelle gegenüber dem großen, breiten Bett, das mit Fellen von jedem Tier bedeckt war, das man sich nur vorstellen konnte, stand dort die wunderschöne Alienora neben dem Bett ihrer Mutter und winkte mich mit ihrer
Hand heran. In ihren Augen glitzerten Tränen, die sie zu rück hielt, und als ich bei ihr an kam, ergriff sie meine Hände mit den ihren. In ihrer
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