Priester des Blutes
Arme aus, mit den Ketten, die an ihren Handgelenken befestigt waren.
Ich zog mein Schwert und versuchte die Ketten zuerst zu zersägen und dann zu zerschlagen.
»Das nützt nichts«, sagte sie. »Er kommt vielleicht zurück. Ihr müsst das Fleisch an meinen Handgelenken zerschneiden. Bitte. Er kommt in der Nacht.«
Sie biss sich auf die Lippe und gab kaum einen Laut von sich, als ich mit meinem Dolch die Seite ihres Handgelenks einschnitt und an ihrer linken Hand Fleisch wegschnitt, bis sie die Hand aus der Handschelle ziehen konnte.
»Das Blut«, sagte ich, indem ich einen Streifen von meinem Umhang abriss und es um ihr blutendes Handgelenk band.
Sie sah mich an, während ich mich um ihre Schnittwunde kümmerte.
Ihr Blick heftete sich auf den meinen. Ich kann Ihnen versichern, selbst in ihrem Schmerz war sie wunderschön, und mein Herz schlug rasend schnell. Nicht länger sah ich diese fremde junge Frau, sondern erinnerte mich an Alienora, in ihrer Herrlichkeit, ihrer Reinheit. Ich fühlte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss, als ich sie ansah. Es war eine Wärme, die mich ganz ein hüllte. Sie streckte die Hand aus und legte sie an meine Wange, wobei ein Finger den Rand meiner Lippen berührte. Sie roch nach Rosen und Lavendel und noch etwas anderem, etwas Moschusartigem und Sinnlichem, wie Myrte, das unter dem lieblichen Duft lag. Ich wünschte mir, ihr Gesicht zu liebkosen und sie mit meinem Leib zu umschlingen. Alienora, bist du das? Alienora?
Vielleicht hätte ich den Blick nicht von dieser jungen Frau abgewendet,
wenn ich nicht an Alienora gedacht hätte. Ich spürte etwas wie Scham und Abscheu über meine eigenen Gefühle. Mein Zorn über mein Leben und was es mir angetan hatte, stieg für einen Augenblick in mir auf. Da erblickte ich et was in einem Strohhaufen, nur ein kleines Stück rechts von der jungen Frau, die ich gerettet hatte. Aber es war wohl einfach nur ein Klumpen Stroh, sonst nichts. Vielleicht noch ein weiterer Eimer, der umgeworfen worden war und zuvor verdeckt gewesen war.
Dann sah ich die kleine Hand.
Mein Verstand konnte nicht begreifen, warum die kleine Hand eines Kindes dort im Stroh liegen sollte. Oder warum ich den Grund vergessen hatte, aus dem ich den Turm überhaupt hinaufgestiegen war.
Ich stieß sie beiseite und machte mich daran, im Stroh zu graben.
Ich zog den Körper von Thibaud Dustifot aus dem Stroh.
Mein Kleiner.
In meinem Herzen war er zu meinem Kind geworden.
Schluchzend hielt ich ihn in meinen Armen. Ich presste seinen kleinen, zerbrochenen Leib gegen den meinen und gab ein so lautes Stöhnen von mir, dass ich das Gefühl hatte, die Welt würde um mich herum zerbrechen wie Glas, wie das zarte Ding, das sie war.
Seine Kehle war zerfleischt, als hätte ihn ein Wolf zwischen seine Kiefer genommen und zu Tode geschüttelt.
Die Maid fiel von hinten über mich her. Ihre Lippen berührten meinen Nacken. Ihre Zähne gruben sich in mein Fleisch und hielten mich fest, so wie es eine Wölfin bei ihrer Beute tut. Ich ließ Thibauds Leichnam fallen, und auf einmal stieg Zorn in mir auf.
Gegen meinen Willen spürte ich unter dem anfänglichen Schrecken
ein Brennen in meinem Blut, als die Zähne mein Fleisch durchdrangen. Mit einem Gefühl, als hätte sich ein Löwe auf mich gestürzt, kämpfte ich gegen meine Angreiferin. Ich griff nach meinem Schwert, doch eine Schwäche hatte meinen Körper über kommen. In mir war keine Kraft mehr, kein Leben. Ich schlug um mich, doch ihre Zähne gruben sich noch tiefer in mein Fleisch, bis ich spürte, dass sie bereits am Knochen nagte.
Schließlich fiel ich hin, wie ein zur Strecke gebrachter Hirsch, und sie setzte ihren Angriff fort. Ich blickte Thibauds Gesicht an, aus dem jedes Leben verschwunden war. Er war tot. Ich war hergekommen, um dem Tod zu begegnen, doch Thibaud war vor mir gestorben, seine kleine Hand lag in der großen Klaue des Todes.
Ich schloss meine Augen, während mich die Dämonin weiter festhielt.
Mein Körper gehorchte meinem Verstand nicht mehr, sondern gab dem Taumel der Leidenschaft nach, die durch den durchbohrenden Biss der Dämonin hervorgerufen wurde. Es fühlte sich an, als streichelte sie mich an meinen zartesten Stellen.
Ich empfand eine entsetzliche Erregung, die sich überall in meinem Körper ausbreitete, während meine Aufgeregtheit wuchs und das pulsierende Blut aus der Wunde in ihren saugenden Mund strömte. Das Geräusch, das sie dabei verursachte, war ekelhaft und schweineartig.
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