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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Clegg
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war Thibaud verschwunden. Seine kleinen Fußstapfen im Dreck endeten nicht weit von meinem Umhang, den er als Decke benutzt hatte.
    Es war, als hätte ihn irgendein Raubvogel durch die Lüfte davongetragen.

DER TURM
    Zuerst machte ich mir keine Sorgen um ihn. Ich glaubte, er spielte mir einen Streich oder wäre früh erwacht und liefe herum. Doch sehr bald war ich mir sicher, dass er von etwas Fürchterlichem entführt worden war. Die Legenden über Ghule und Dämonen wirkten sich verheerend auf meine Gefühle aus, und die große Hitze des nahenden Tages vermehrte meine fieberhaften Gedanken noch. Wenn ich mir all das vorstellte, was dem Knaben zugestoßen sein konnte, wurde ich fast wahnsinnig vor Sorge.
    Ich durch suchte die tote Stadt und rief nach ihm, in dem ich mich an jeder Ecke duckte, um an der Wand emporzusehen oder nach unten in die Spalten zu blicken, wo sich viel leicht ein Knabe verstecken konnte. Einmal hoffte ich, er stünde nahe bei einem Türeingang, nur um dort statt eines Knaben eine große, zerbrochene Urne zu finden.
    Ich ging durch Räume, bei denen es sich um die früheren Kammern lebender Menschen gehandelt hatte, fand aber keine Spur von ihm.
    Dann entdeckte ich ein Lager, in dem große Schätze aufbewahrt wurden. Dazu gehörten Rüstungen sowie Waffen - aus Silber gefertigte Schwerter, und einige bestanden sogar aus Gold. Eine bisher ungekannte Furcht ergriff mich, als ich diesen Schatz erblickte. Ich fragte mich, was für ein verdorbener König wohl hier leben mochte, der Soldaten und Ritter tötete und die Beute einer solchen Eroberung in diese große Kammer bringen ließ. Meine Angst war sogar so groß, dass ich es nicht wagte, irgendetwas zu berühren. Dies schien wahrhaftig ein Ort des Giftes zu sein, denn warum hatte bisher sonst noch niemand diese Reichtümer gestohlen? Welcher Mensch hätte dem widerstehen können, ganz zu schweigen von Einer ganzen Armee? Ich hatte Gerüchte gehört,
dass die Tempelritter wohl habender wären als alle anderen Ritterorden, und diese Festung, die einst von ihnen übernommen worden war, schien ein gutes Beispiel dafür zu sein.
    Ich stieß auf weitere Wunder, einschließlich eines großen, langen Hofes mit einem spiegelnden Wasserbecken. Durstig wie ich war, kniete ich mich hin, um da raus zu trinken. Während ich dies tat, fielen mir die Geschichten über die vergifteten Brunnen wieder ein, und ich fragte mich, ob ich an meinem Trunk sterben konnte. Wäre Thibaud nicht verschwunden, so hätte ich keine Furcht vor dem Tod gehabt, doch als der Tag fortschritt, bekam ich Angst, dass ich nicht überleben würde, um ihn zu finden. Doch das Wasser schien gut zu sein, und ich fühlte mich davon erfrischt.
    Eingänge mit feinen bogenförmigen Verzierungen führten zu Räumen voller Mosaiken. Diese stellten sowohl die religiösen Dramen der Ungläubigen als auch die der Tempelritter und der Deutschordensritter dar. Auf zerfallenden Mauern aus gelbem Stein hatten Wahnsinnige in ver schiedenen Sprachen Worte und kurze Sätze eingekratzt, die für mich nicht zu entziffern waren. Doch ich sah immer wieder das Kreuz, ebenso wie eingeritzte Abbildungen von Schwertern und dann auch von einem Dämon mit Flügeln. Er erinnerte mich an jene abscheuliche Kreatur, bei deren Bergung aus dem Brunnen im Großen Wald ich als Knabe geholfen hatte.
    Bei meiner Wanderung durch die Hallen, Tempel und Häuser im Inneren der Stadtmauer fand ich einen merkwürdigen Bereich, der beinahe unerreichbar war. Dabei handelte es sich um eine Katakombe, die unter dem lag, was offensichtlich den Wehrturm dieser Festung darstellte.
    Als ich durch seine Seitenwege wanderte, entdeckte ich einen Eingang zu einer Reihe von Kammern. Es schien sich bei ihnen um etwas Ähnliches wie Gräber oder Grabhügel zu handeln. Sie waren zu tief, als dass ich von meinem Standort aus hätte hineinspähen
können. Ich konnte mich nicht in diese schlangenartige Kammer vorwagen, ohne dabei zu riskieren, sie nie wieder verlassen zu können, denn sie lag mehrere Klafter 8 in der Tiefe, und ich blickte von dem Ende eines Ganges in sie hinab, der einfach steil abfiel - wie eine Klippe.
    Dort fand ich keine Spur von dem Knaben. Der Geruch nach Tod war unverkennbar, und ich war froh, diesen Bereich wieder verlassen können.
     
    Halb verhungert brach ich beinahe zusammen und sehnte mich danach, sterben oder schlafen zu können. Mein Gewissen plagte mich, da ich es in meiner eigensüchtigen Einsamkeit einem Knaben

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