Princess 01 - Widerspenstige Herzen
anderen Seite antwortete eine melodische Frauenstimme. »Wie Sie wünschen.«
Evangeline konnte es nicht fassen, dass jemand sie gehört hatte. »Beeilen Sie sich.«
»Einen Moment, meine Schwester, ich muss erst den Schlüssel finden.«
»Er kommt.« Evangeline lehnte sich an die Tür und schlug wieder dagegen. »Er kommt.«
Die Tür ging auf, und sie fiel fast in den Garten hinein, stolperte ein Stück nach vorn und brach auf einem Kiesweg zusammen.
Sie hörte hinter sich die Tür laut zuschlagen, und das Schloss knarzen. Sie drehte sich um und sah Maria Theresia, die Novizin aus dem Kloster hoch auf den Felsen, lächelnd an der geschlossenen Tür stehen. »Sie hat uns gesagt, dass Sie hierher kommen würden, und Sie sind gekommen. Gepriesen sei Santa Leopolda.«
30
Victor warf sich gegen die Tür und brachte Evangeline, verstört und gehetzt wie sie war, sofort wieder auf die Beine.
»Machen Sie sich keine Sorgen.« Maria Theresia tätschelte ihr beruhigend die Hand. »Er kann hier nicht herein. Und hören Sie genau hin.« Sie hob ihren Finger, während Victor die Gasse hinunterlief und an die anderen Türen hämmerte. »Er ist sich nicht sicher, wohin Sie verschwunden sind.« Die schwarz-weiße Schwesterntracht der kleinen Novizin stand in krassem Gegensatz zum Gewirr aus rosafarbenen Kletterrosen und leuchtend gelben Astern. Kein Windhauch störte die Ruhe, und Nelkenduft parfümierte jeden Atemzug. Winzige Äpfelchen hingen in dichten grünen Bündeln von ausgewachsenen Bäumen herab, die den Wegen und Parkbänken Schatten spendeten. Bienen summten und kosteten auf ihrem Weg zu den Bienenstöcken an der hinteren Mauer von jeder Blüte.
»Ja.« Evangeline keuchte. »Gut, dem Himmel sei Dank.«
»Sie sollten ihm wirklich danken, denn Ihr Schicksal ist von dort oben vorausbestimmt.«
Evangeline hatte sich in letzter Zeit zu viel über ihre Bestimmung anhören müssen. Ihr war, als jagte das Schicksal sie vor sich her. Und sie fürchtete aufs Neue, mit ihrer so genannten Bestimmung konfrontiert zu werden.
Sie wischte sich mit der Hand die schweißnasse Stirn ab und fragte: »Wer hat Ihnen gesagt, dass ich herkommen würde?«
»Santa Leopolda, natürlich.«
Evangelines rasendes Herz hatte sich zwar beruhigt, und ihr Atem ging wieder ruhig und gleichmäßig, aber sie war zu erschöpft, um zu begreifen, was die kleine Novizin meinte. »Santa Leopolda ist tot.«
Maria Theresia hakte sich lächelnd bei ihr unter. »Es stört Sie doch nicht, wenn ich Sie >Schwester< nenne, oder? Ich fühle, dass wir Schwestern sind.«
»Nein.« Evangeline blickte die hohe Mauer hinauf. Von Victor war nichts mehr zu hören. War er weg, oder belauschte er sie? Sie zog Maria Theresia von der Mauer weg und ging auf das ziegelrote Gebäude zu, das im Schutz der Mauer lag. »Vor Gott, glaube ich, sind wir Schwestern.«
»Ganz genau.«
An diesem Ort erstarb der Lärm der Stadt; er verlor sich in den Tiefen der umfriedeten Insel mit ihrer blühenden, wohl gehegten Pflanzenpracht. Heitere Gelassenheit regierte hier die goldenen Tage und den Lauf der Zeit, bis dereinst Frieden auf Erden einkehrte, der jeden Windhauch und jedes Wesen durchdrang.
»Das ist ein Kloster«, sagte Evangeline aufs Geratewohl. »Und wir sind im Klostergarten.«
Maria Theresia schaute sich stolz um. »Er ist wunderschön, nicht wahr? Es ist unser Stammhaus, der ursprüngliche Konvent von Santa Leopolda. Hier hat sie die Kronen und die Zepter in die Kristallschatulle gelegt.«
Evangeline stellte Maria Theresia auf die Probe. »Und Sie haben heute Morgen mit ihr gesprochen.«
»Ja, heute Morgen. Sie ist unsere Mutter Oberin, müssen Sie wissen.«
Evangeline entspannte sich wieder. Das Mädchen war offensichtlich doch klug und bei Verstand und auch keiner Wahnvorstellung verfallen. Sie hatte sicher sagen wollen, dass jeder Mutter Oberin der Titel »Santa Leopolda« verliehen wurde, auch wenn das noch nicht erklärte, woher Maria Theresia gewusst hatte, dass Evangeline hier auftauchen würde - schließlich hatte diese selbst nichts davon gewusst.
Maria Theresia zog sie in Richtung des großen Springbrunnens im Zentrum des Klostergartens und sagte: »Wir sind gerade erst angekommen.«
»Zur Offenbarungszeremonie?«, fragte Evangeline.
»Ich muss bei der Offenbarungszeremonie dabei sein. Unsere Reise war recht ereignislos, genau wie die Ihre, hoffe ich.«
Evangeline erinnerte sich an Danior, Dominic, die heiße Quelle, Danior, das Dorf, die
Weitere Kostenlose Bücher