Princess 01 - Widerspenstige Herzen
Prinz.«
»Ganz recht«, stimmte Rafaello zu.
»Doch, er ist es. Er sieht genau wie der Prinz aus«, sagte Percival.
»Du hast ihn immer nur aus der Entfernung gesehen«, entgegnete Gaylord. »Aber ich habe ihm schon einmal die Hand geschüttelt. Das ist nicht der Prinz.«
Evangeline legte ihr Gebäckstück vorsichtig auf den Tisch und verkündete: »Es ist der Prinz. Er ist auf der Suche nach seiner Prinzessin.«
»Sie hat Recht.« Einer der Männer, die neben Victor standen, ergriff seine Hand und ging vor ihm auf die Knie. »Eure Hoheit, ich habe einen Kropf. Können Sie mich heilen?«
Woraufhin ein Tumult einsetzte, der noch aufgeregter war als der vorherige. Victor versuchte seine Hand frei zu bekommen und bestritt dabei lauthals seine königliche Herkunft. Evangeline lehnte sich nach hinten und rutschte unter den Tisch. Tief geduckt kroch sie unter dem nächsten Tisch weiter, dann zum nächsten und immer so fort, bis sie ein Geschäft erreicht hatte, über dessen Ladentisch Kleider hingen, zwischen denen sie sich verstecken konnte.
Es dauerte eine ganze Minute, bis Victors dröhnende Stimme zu hören war. »Die Prinzessin, was ist mit der Prinzessin geschehen?«
Evangeline schlang die Arme um die Knie, lugte zwischen den Röcken hervor und sah, dass jedermann aufgestanden war.
»Sie ist nicht die Prinzessin«, sagte Gaylord missmutig. »Sie ist die Tochter von Eleanor von der anderen Seite des Flusses.«
»Eleanor war die Tante der Prinzessin«, sagte eine der Frauen in beißendem Tonfall. »Da kannst du doch glauben, dass ihr die Prinzessin vielleicht genauso ähnelt.«
Evangeline verhielt sich ruhig, wäre am liebsten weggelaufen und wusste doch, dass sie besser blieb, wo sie war. Männerstiefel und Damenschuhe, Rocksäume und Hosenbeine zogen an ihr vorbei. Sie hörte viele Stimmen nach der falschen Prinzessin rufen. Victor rief nach ihr, Rafaello wickelte jeden mit seinem Charme ein, aber sie fanden sie nicht. Sie suchten die Straßen und Gassen zum Fluss hinunter nach ihr ab.
Nach und nach waren alle bekannten Gesichter verschwunden, und eine neue Schlange stand an der Bäckerei an, um das erste Blätterteighörnchen gratis zu bekommen.
Evangeline gratulierte sich zu ihrem erfolgreichen Manöver, kämpfte sich unter dem Ladentisch hervor und stand auf.
Der Redliche Gaylord verteilte sein Gebäck. Sollte er sie gesehen haben, dann ließ er sich jedenfalls nichts anmerken. Die Menschen aßen ihr Gebäck und kauften noch einiges; alles war ruhig. Evangeline holte sich mit wohl überlegter Gelassenheit ihre halbe Teigtasche vom Tisch und ging zu der Straße zurück, auf der sie gekommen war. Sie hatte ein neues Ziel. Sie wollte auf die serephinianische Seite des Flusses zurück und herausfinden, ob sich dort drüben irgendjemand an eine Frau namens Eleanor erinnerte oder wusste, was mit ihr geschehen war.
Sie war vielleicht auf halbem Weg, als ihr an einer Ecke Victor entgegenkam. Sie blieb stehen.
Er blieb stehen.
Evangeline sah sich um. Sie musste entweder die große Straße wieder zurück oder in eine schmale, dunkle Gasse einbiegen.
Sie schaute ihm in die Augen, die vor ruchloser Freude blitzten. Er lächelte boshaft, was sie viel zu sehr an Dominic erinnerte. »Eure Hoheit! Genug der Spielerei. Sie hatten Ihren Spaß.« Er klopfte sich an den Schenkel, als sei sie ein abgerichteter Hund, der auf ein Stichwort gehorchte. »Komm jetzt, Mädchen, wir müssen gehen.«
Sie warf ihm mit aller Kraft ihr Gebäck an den Kopf und ergriff die Flucht, rannte mit vollem Schwung in die Gasse, über Müllberge hinweg, um leere Fässer herum. Hinter sich hörte sie Victor schreien und rannte nur noch schneller. Sie kam an eine Abzweigung, entschied sich für die linke Seite, die sich fast augenblicklich verengte, und die Schatten wurden schwärzer. Auf der einen Seite erhob sich eine rote Ziegelwand, die wohl zwölf Fuß hoch war, auf der anderen Seite folgte eine dunkle Tür der anderen. Sie versuchte es an zweien, doch beide waren versperrt.
Sie hörte Victor rufen. Er folgte ihr wie die Ratte dem Käse. Sie rannte weiter, aber sie musste sich etwas einfallen lassen, bevor das Seitenstechen zu heftig wurde und sie den Schmerz in ihrem Fuß nicht mehr ertragen konnte. Sie drückte sich in eine schmale Nische in der Ziegelwand und warf sich mit ihrem Körper gegen eine Tür, doch sie gab nicht nach. Also schlug sie mit der flachen Hand dagegen und brüllte: »Aufmachen, bitte aufmachen!«
Von der
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