Princess 01 - Widerspenstige Herzen
gewusst hätte, und Evangeline schwieg und lächelte. Und sie lächelte einfach weiter, als sie den Butler traf und die Küchenmagd und die alte Gouvernante, die sie mit Tränen in den Augen umarmte und ausrief, wie groß sie geworden war. Das Ganze war eine Tortur gewesen, und sie konnte sich nicht an die Hälfte der Namen erinnern. Und Danior hatte sich mit dem Premierminister zurückgezogen, der ihr natürlich erst seine Freude bekunden musste, sie nach so vielen Jahren wieder zu sehen.
Eine Sache konnte sie jedenfalls von ihrer Sorgenliste streichen:
Sie sah wirklich wie die Prinzessin aus.
Aber wie überstand eine Prinzessin das unendliche Interesse an ihrer Person? Der halbe Palast war aufmarschiert, um ihr dabei zuzusehen, wie sie ihr Essen einnahm. Der Kapaun auf einem Bett aus irgendeinem Getreide war mit Rosmarin abgeschmeckt, aber sie konnte ihn nicht recht genießen, während der Koch, der Butler und das gesamte Küchenpersonal um sie herumstanden und jedesmal den Mund aufmachten, wenn sie einen Bissen nahm.
Sogar jetzt beobachteten fünf Augenpaare jede ihrer Bewegungen, bis sie sich wünschte, in die Berge zurücklaufen zu können und in der heißen Quelle zu baden.
Insbesondere als Tacita ihr das Unterkleid ausziehen wollte.
Evangeline zuckte zurück.
»Aber ich muss Sie baden, Eure Hoheit«, sagte Tacita mit sanfter Stimme.
»Ich werde mich selbst baden, danke«, antwortete Evangeline wie eine standhafte englische Matrone.
Tacitas Unterlippe fing zu zittern an, ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie schaute sich hilfesuchend nach den anderen Zofen um.
Evangeline mäßigte ihren Tonfall. »Ich habe so lange keine Zofe mehr gehabt, dass ich es vorziehe, für mich zu sein. Aber Sie dürfen mir meine Kleider bereitlegen, falls Sie möchten.«
»Wie Sie wünschen, Eure Hoheit.«
Doch Tacita war ohne jeden Zweifel tief enttäuscht. Evangeline kümmerte sich nicht darum, sie hatte nicht vor, sich irgendjemandem nackt zu zeigen.
Mit einer Ausnahme.
»Haben wir einen Paravent oder etwas anderes, was wir - Sie hier aufstellen können?« Sie zeigte auf die Stelle zwischen der Wanne und dem Rest des Raumes.
»Natürlich, Eure Hoheit.« Tacita gab den anderen Zofen, die laut vor sich hin seufzten, ein Zeichen, und sie eilten davon, um Evangelines Bitte nachzukommen.
Sie kamen mit einem hölzernen, hochglanzpolierten chinesischen Wandschirm zurück, der mit Einlegearbeiten aus Perlmutt und Jade verziert war. Leonas gesamtes Vermögen hätte wahrscheinlich nicht ausgereicht, um allein die Jade zu bezahlen. Evangeline hätte fast nach einem anderen Paravent gefragt, einem, der besser zu einer unechten Prinzessin passte.
Aber sie nahm sich zusammen, während ihr die Zofen ihre private Nische einrichteten und ihr die Handtücher bereitlegten.
Nachdem die letzte Zofe widerstrebend verschwunden war, zog sie ihr Unterkleid aus und schaute, ob Tacita zurückkommen würde. Sie konnte nicht ausschließen, dass die Kleine trotz ihrer Anweisung versuchen würde, ihre Pflicht zu tun.
Sie hängte ihr Unterkleid vorsichtig über den Wandschirm - und tat einen Sprung rückwärts, als es von der anderen Seite weggezogen wurde.
»Danke, Eure Hoheit«, rief Tacita. »Laut Dekret sollen alle Ihre Kleider in einem Museum ausgestellt werden, damit die Leute sehen können, was Sie auf Ihrem Weg nach Plaisance durchlitten haben.«
»Das Seidenkleid auch?«, fragte Evangeline entsetzt. »Vor allem das Seidenkleid.« Tacita klopfte an den Paravent. »Darf ich Eurer Hoheit nun die Haare waschen?«
»Das mache ich selbst.« Evangeline stieg so schnell in die Wanne, dass das duftende Badewasser beinahe über den Rand geschwappt wäre. Sie versuchte panisch, die Wogen zu glätten. Schließlich hatte sie ihr halbes Leben damit verbracht, hinter anderen herzuputzen. Sie blickte schuldbewusst zur Trennwand, aber Tacita und die anderen waren damit beschäftigt, sich über den Zustand ihres Unterkleides aufzuregen.
Die Wärme entspannte ihre Muskeln. Evangeline rieb die feine Seife auf den Waschlappen und wusch sich so schnell wie möglich.
Sie versuchte, sich einzureden, dass sie sich nur deshalb so beeilte, weil jeden Moment die Zofen unter einem Vorwand um die Ecke schauen konnten.
Aber sie wusste es besser. Sie fürchtete, Danior werde hereingetrampelt kommen und unmissverständlich klarstellen, dass sie einander längst geliebt hatten, was sie in eine peinliche Lage gebracht hätte und die Zofen dazu, die
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