Princess Band 47
Ihr fiel auf, wie müde und erschöpft er wirkte, als er ins Eßzimmer trat.
"Ich möchte mich erst einmal hinlegen, wenn es dir recht ist", sagte er.
"Natürlich, Philippe. Du mußt todmüde sein. O Philippe, ist es nicht herrlich, wie gut sich Tante Celia erholt?"
"Ja, ihr Lebenswille ist sehr stark. Hast du sie heute schon besucht?"
"Nur ganz kurz. Die Schwester erlaubte mir nicht, länger zu bleiben. Sie sagte, Tante Celia müsse ruhen, um wieder Kräfte zu sammeln. Aber vielleicht darf ich heute nachmittag noch einmal zu ihr."
"Ja, das tu nur." Er schwankte leicht.
"Philippe, du legst dich sofort hin! Wenn etwas passieren sollte, wecke ich dich."
"Danke, Rose." Er ging aus dem Zimmer.
Rose mußte allein essen, aber es machte ihr nichts aus. Sie fühlte mit Philippe. Nach dem Essen schaute sie einen Moment ins Krankenzimmer, und als sie sah, daß die alte Dame friedlich schlief, ging sie erleichtert wieder hinaus.
Vor dem Abendessen klopfte sie an Philippes Schlafzimmertür. Als keine Antwort kam, öffnete Rose leise die Tür. Das Bett war zerwühlt, aber leer. Sie ging hinunter in den Salon, aber auch hier war niemand. Rose klingelte, und ein Diener kam herein.
"Madame haben geläutet?"
"Ich würde gern wissen, wo mein Mann ist."
"Monsieur du Caine?" Er warf ihr einen seltsamen Blick zu. "Monsieur ist nach Les Virages gefahren, wie ich hörte. Er hinterließ eine Nachricht, daß er zum Dinner nicht zurück sein würde."
"Oh."
"Das Essen ist fertig, Madame. Soll ich auftragen?" Hoffentlich sieht er mir meine Enttäuschung nicht an, dachte Rose und sagte leise: "Ja, bitte."
Sie setzte sich ins Speisezimmer. Aber sie rührte kaum etwas von dem Essen an. Langsam wuchsen ihr Ärger und ihre Verbitterung. Wie konnte Philippe nach Les Virages fahren? Sie war jetzt seine Frau. Und er wagte es, seine Geliebte ganz offen zu besuchen!
Ihr Zorn wurde immer größer. Tränen stiegen ihr in die Augen. Was bildete er sich ein? Nie wieder würde sie sich von ihm berühren lassen. Wenn er glaubte, er brauchte sich nur zu ihr ins Bett zu legen, hatte er sich geirrt. Das durfte nicht geschehen. Dafür würde sie sorgen.
Aber wie? Sollte sie wieder den Stuhl unter die Türklinke stellen? Das würde ihn kaum hindern. Der Schlüssel! Ja, das war die Lösung. Jetzt nahm sie auf dem Schloß eine ganz andere Stellung ein. Sie war die Herrin und stand dem Haushalt vor.
Kein Mensch würde sich wundern, wenn sie sich mit ihren Pflichten vertraut machen wollte. Also würde sie zuerst einmal alle Ersatzschlüssel verlangen.
Man merkte dem Personal nicht an, ob es sich über Roses Bitte wunderte. Dazu waren die Angestellten des Schlosses zu gut erzogen. Rose bekam alle Schlüssel aufs Zimmer, wie sie es gewünscht hatte, und machte sich daran, sie zu sortieren.
Drei große Schlüsselbunde lagen vor ihr, daneben eine Schachtel mit den Ersatzschlüsseln. Einige waren so groß, daß sie nicht passen konnten, andere so klein, daß sie offensichtlich zu irgendwelchen Schubladen gehörten.
Rose probierte die übriggebliebenen Schlüssel und fand endlich den einen, der paßte. Er ließ sich ein wenig schwer drehen. Wahrscheinlich war er lange nicht gebraucht worden.
Triumphierend löste Rose ihn vom Schlüsselbund, dann klingelte sie nach Murielle und gab ihr die anderen Schlüssel zurück. Philippe war immer noch nicht zurück, Rose setzte sich eine Weile zu Tante Celia ans Bett und begab sich anschließend auf ihr Zimmer. Sie badete, zog ihr Nachthemd an und schaltete das Licht aus. Dann setzte sie sich auf den Sessel am Fenster, in dem Philippe damals auf sie gewartet hatte.
Gegen zehn Uhr hörte sie seinen Wagen. Verstohlen schaute Rose in den Schloßhof. Philippe stieg aus und lief eilig die Treppe hinauf. Ihm war keine Müdigkeit mehr anzumerken. Er schien nach dem Besuch bei seiner Geliebten sehr beschwingt zu sein.
Minuten später vernahm sie seine Schritte auf dem Korridor und hörte, wie er sich bei der Schwester nach Tante Celia erkundigte. Dann stand er vor ihrem Zimmer, und Rose wartete atemlos. Philippe drückte auf die Klinke, aber die Tür war verschlossen. Kurz darauf sah Rose, wie sich die Klinke der Verbindungstür bewegte.
"Rose?" rief Philippe verwundert. Sie rührte sich nicht.
Er rüttelte an der Tür und rief wieder ihren Namen. Diesmal ein wenig lauter. Dann klopfte er und befahl: "Rose, mach die Tür auf!"
Sie schwieg noch immer. Er probierte es noch ein paarmal, dann wurde es still.
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