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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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so lange, wie sie damit weiter hin- und hersegelten. Sie waren, mit anderen Worten, dazu verdammt worden, den Rest ihres Lebens mit gefährlichen Plackereien und Irrfahrten zu verbringen. Van Hoek war das vollkommen recht. Dappa weniger.
    Die Minerva gehörte ihnen nicht. Die Eigner waren, der Rangordnung nach, Königin Kottakal von Malabar, Kurfürstin Sophie von Hannover, van Hoek, Dappa, Jack Shaftoe und einige von ihren alten Kameraden, die nach letzten Berichten auf der Insel Queenah-Kootah vor Borneo lebten. Diese Investoren waren größtenteils weit weg und hatten nicht die leiseste Ahnung, wie sie mit der Minerva in Verbindung treten konnten, was sie zu besonders guten Investoren machte. Selbst Sophie herrschte über einen Binnenstaat. Doch irgendwann erhielten sie eine in ihrer Handschrift abgefasste und ihr Siegel tragende Nachricht, die ihnen mitteilte, dass sie Eliza, Herzogin von Arcachon und Qwghlm, zu ihrer Bevollmächtigten ernannt habe und sie sich jedes Mal, wenn sie im Pool von London Anker würfen, bei ihr melden sollten, um ihr Sophies Gewinnanteil auszuhändigen und Anweisungen entgegenzunehmen.
    Dappa hatte sich mit düsteren Erwartungen zur ersten dieser Zusammenkünfte begeben. Er und die anderen hatten von Jack so viel über die Schönheit dieser Herzogin gehört und zugleich gelernt, so starke Vorbehalte bezüglich Jacks Wahrnehmungsvermögen zu hegen, dass er nur damit rechnen konnte, einer zahnlosen, pockennarbigen Hexe zu begegnen.
    Es war dann ganz anders gekommen. Zunächst einmal war die Frau ganze fünfunddreißig Jahre alt. Sie hatte noch alle Zähne, und ihre Verunstaltung durch Pockennarben hielt sich in Grenzen. Sie war also, erstens, nicht abstoßend. Sie hatte durchdringende blaue Augen und strohblondes Haar, was für Dappa natürlich bizarr aussah. Aber er hatte sich auch an van Hoek, einen Rotschopf, gewöhnt, was bewies, dass er sich allem anpassen konnte. Ihre kleine Nase und ihr kleiner Mund hätten bei den Chinesen als schön gegolten, und mit der Zeit verstand er, dass viele europäische Männer einen ähnlichen Geschmack hatten. Wären ihre Nase und ihre Wangen nicht von Sommersprossen entstellt gewesen, hätte sich Dappa vielleicht dazu überwinden können, sie attraktiv zu finden. Aber sie hatte eine schmale Taille und war mager. Eliza war in jeder Hinsicht das Gegenteil von üppig. Üppig aber war das, was Dappa mochte, und nach den Skulpturen und Fresken zu urteilen, die er in London und Amsterdam zu Gesicht bekam, schien so mancher europäische Mann seinen Geschmack zu teilen.
    Thema ihres ersten Gesprächs war die Buchführung gewesen. Wenn Dappa sich also zu Beginn des Tages auch nur im Geringsten zu der Frau hingezogen gefühlt hätte, so hätte sich dieses Gefühl längst verflüchtigt, als er zwölf Stunden später zur Tür ihres Stadthauses hinauswankte. Eliza, so stellte sich heraus, hatte ein ungeheures Zahlengedächtnis und wollte wissen, wohin jeder Farthing seit Kiellegung der Minerva gegangen war. In Anbetracht alles dessen, was sie durchgemacht hatten, waren ihre Fragen unverschämt gewesen. So mancher Mann hätte sie geohrfeigt, viele wären hinausgestürmt. Aber Eliza vertrat einen der mächtigsten Menschen der Christenheit, eine Frau, welche die Minerva auf so viele verschiedene Arten vernichten konnte, dass ihre einzige Schwierigkeit in der Wahl der Waffe läge. Dappa hatte sein Temperament teils deswegen gezügelt, teils aber auch, weil er tief im Innern wusste, dass man auf der Minerva sorgfältiger Buch führen musste. Ihre beiden Mitglieder, die sich mit Buchführung auskannten, hatten sie verloren: Moseh de la Cruz, der sie verlassen hatte, um das Land nördlich des Rio Grande zu kolonisieren, und Vrej Esphanian, der sein Leben geopfert hatte, um sich an denen zu rächen, die sie in die Falle gelockt hatten. Seither waren die Bücher in heillose Unordnung geraten. Er wusste schon lange, dass irgendwann eine Abrechnung fällig war und dass sie hässlich und schmerzhaft ausfallen würde. Sie hätte sich allerdings auch sehr viel übler gestalten können als an einem Tisch mit dieser komisch aussehenden, jungen Herzogin.
    In den seither verstrichenen Jahren waren sie von Zeit zu Zeit zusammengetroffen, um abzurechnen. Sie hatte von seiner seltsamen Angewohnheit erfahren, Sklavengeschichten zu sammeln und niederzuschreiben (»Warum gebt Ihr so viel von unserem Geld für Papier und Tinte aus!? Was macht Ihr damit, sie über Bord werfen?«), und war

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