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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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zunichte, indem sie sich in wohlbedachten langen Schritten und geschickten seitlichen Ausfällen durch den Raum bewegte. Ihrem Kleid wuchs eine diaphane Schleppe aus Spinnweben, und ihr Nachstrom in der Luft war als gezackte Linie aus auffliegenden Staubwolken und niedersinkenden Wirbeln sichtbar. Sie dachte gründlich darüber nach, wohin sie sich als Nächstes wenden sollte, und hatte zu reden vergessen.
    Alle paar Ellen waren winzige Gauben in die Dachschräge eingeschnitten, die reichlich Licht spendeten und Dappa einen ausgezeichneten Überblick über die vielen Möglichkeiten verschafften, wie er seinen dunklen Anzug schmutzig machen konnte, wenn er Eliza zu folgen versuchte. Weil er vergaß, dass man sich darauf verlassen konnte, dass sich das Haus nicht unter einem bewegte, griff er mit einer Hand nach oben und stützte sich geistesabwesend an einem Koppelbalken ab, der zwischen den Sparren über seinem Kopf verlief. Eine kleine Lawine aus fahlgrauer Fledermausscheiße rieselte seinen Ärmel entlang und verband sich aufs innigste mit der teuren schwarzen Wolle. »Nur gut, dass mein Haar ohnehin schon grau ist«, brummte er, um dann verblüfft zu registrieren, wie gut seine Stimme in dem völlig stillen Raum trug.
    »Wie meinen?«
    »Nichts, ich murre und brummle nur ein bisschen.«
    »Schon recht«, rief sie in ihrer gewohnt hellwachen Art zurück. »Aber denkt daran, wenn wir in Gesellschaft anderer sind – besonders Standespersonen -«
    »Dann seid Ihr meine edle Gönnerin«, sagte Dappa, »und ich bin der tintenfleckige Tropf. So tintenfleckig, dass ich von Kopf bis Fuß schwarz geworden bin, ausgenommen die Sohlen meiner Füße, mit denen ich umhergehe, um Sklavengeschichten zu sammeln -«
    »Und die Innenfläche Eurer Hand, mit der Ihr den Federkiel haltet. Ich kenne diese Sätze aus der Apologie Eures neuen Manuskripts«, sagte sie und bedachte ihn mit der Andeutung eines Lächelns.
    »Ah, Ihr habt es gelesen!«
    »Aber gewiss doch«, antwortete sie gekränkt. »Warum denn nicht?«
    »Ich hatte schon befürchtet, Ihr wärt der Sklavengeschichten vielleicht müde. Ich fürchte, sie sind immer gleich. ›Ich wurde von Räubern aus dem Nachbardorf gefangen genommen... an das Ufer des großen Wassers geschafft, mit einem glühenden Eisen gebrandmarkt, an Bord eines Schiffes gebracht, halb tot davon heruntergeschleppt, und nun schlage ich Zuckerrohr.‹«
    »In gewissem Sinne sind alle menschlichen Geschichten immer gleich, wenn man sie derart zusammenfasst. Trotzdem verlieben sich Menschen.«
    »Was?«
    »Sie verlieben sich, Dappa. In einen bestimmten Mann oder eine bestimmte Frau, und in niemand anderen. Oder eine Frau bekommt ein Kind und liebt dieses Kind für alle Zeiten..., ganz gleich, wie ähnlich seine Geschichte der anderer Kinder erscheinen mag.«
    »Ihr wollt damit sagen«, sagte Dappa, »dass wir trotz ihrer Einheitlichkeit Verbindungen mit anderen Seelen eingehen -«
    »Es gibt keine Einheitlichkeit. Würdet Ihr die Welt von oben betrachten, wie ein Albatros, so könntet Ihr Euch vielleicht einbilden, es gäbe eine gewisse Einheitlichkeit unter den Menschen, die das Land unter Euch bevölkern. Aber wir sind keine Albatrosse, wir sehen die Welt von Bodenhöhe aus, aus unseren eigenen Körpern heraus, mit unseren eigenen Augen, mit unserem je eigenen Bezugsrahmen, der sich ändert, während wir uns bewegen und andere sich um uns herum bewegen. Diese Einheitlichkeit ist eine Einbildung von Euch, der Kobold eines Autors, etwas, worüber Ihr euch spät in der Nacht in Eurer Hängematte Sorgen macht.«
    »Genau genommen habe ich mittlerweile meine eigene Kabine und mache mir meine Sorgen in einem Bett.«
    Eliza gab keine Antwort. Sie hatte schon vor einiger Zeit das andere Ende des Raums erreicht, das, wie Dappa vermutete, auf der Vorderseite des Hauses lag, und während der Unterhaltung durch ein winziges rundes Fenster auf Leicester Fields hinausgespäht. Wäre dies ein Schiff, gälte ihr Blick dem Wetter. Aber es war keines; was also betrachtete sie so aufmerksam?
    »Es wird nichts weiter verlangt«, fuhr sie zerstreut fort, »als dass ein Leser in einer einzigen Eurer Erzählungen eine verwandte Seele erkennt, und das reicht aus, um diesem Leser zu beweisen, dass die Sklaverei eine Abscheulichkeit ist.«
    »Vielleicht sollten wir sie einzeln drucken, als Flugschriften.«
    »Große Blätter sind billiger und lassen sich an Mauern etc. anschlagen.«
    »Ah, Ihr seid mir weit voraus.«
    »Der

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