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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Vertrieb ist meine Sache – die Sammlung Eure.«
    »Was schaut Ihr denn da zum Fenster hinaus? Habt Ihr Angst, dass man Euch gefolgt ist?«
    »Wenn eine Herzogin im Pool von Bord eines ausländischen Schiffes geht und in einem Tross aus einem Dutzend Kutschen und Wagen durch London fährt, folgt man ihr«, sagte Eliza gelassen. »Ich nehme eine Zählung meiner Verfolger vor.«
    »Habt Ihr ein bekanntes Gesicht gesehen?«
    »Da ist ein betagter Puritaner, den ich, glaube ich, erkannt habe... und ein paar üble Torys... und zu viele hinterm Vorhang hervorlugende Nachbarn, als dass ich sie zählen könnte.« Sie wandte sich vom Fenster ab und erkundigte sich in ganz anderem Ton: »Irgendetwas Gutes aus Boston?«
    »Dort gibt es hauptsächlich Angolaner, und deren Sprache beherrsche ich nicht mehr so gut wie früher. Die Barker in Massachusetts sind ungemein aggressiv geworden – verteilen an Straßenecken Flugschriften...«
    Das – wovon er geglaubt hatte, sie würde es für eine interessante Nachricht halten – langweilte sie offenbar so sehr, dass sie sich wieder dem Fenster zuwandte und hinausschaute. Natürlich wusste sie genau, was die Barker in Massachusetts machten. »Infolgedessen«, fuhr er fort, »sind die Sklavenbesitzer dort wachsamer als, sagen wir, diejenigen in Brasilien, und wenn sie sehen, dass ihr Sklave ein längeres Gespräch mit einem fremden, gut gekleideten Mohren führt -«
    »Ihr habt aus Boston nichts Nützliches mitgebracht«, sagte sie schroff.
    »Bin ich in meinen Antworten zu ausführlich, Euer Gnaden?«
    »Kehre ich zu sehr die Verlegerin heraus?« Sie war mit Hinausschauen fertig und wandte sich wieder ihm zu.
    »Dieser Raum ist eine umgekehrte Bilge«, machte sich Dappa klar. »Das heißt, wenn man die Minerva auf den Kopf stellte, sodass ihre Masten senkrecht nach unten auf den Mittelpunkt der Erde zeigten, dann läge ihr Kiel hoch und trocken, wie dieser Firstbalken über unserem Kopf, und die Rumpfplanken würden ein schräges Dach bilden.«
    »Und sie wäre immer noch mit eingelagerten Sachen vollgestopft wie diese Dachstube.«
    »So nennt ihr das?«
    »Hungernde Schriftsteller wohnen in dergleichen.«
    »Bietet Ihr mir Quartier an oder droht Ihr, mich hungern zu lassen?«
    »Das hängt davon ab, ob Ihr von Eurer nächsten Seereise ein paar brauchbare Erzählungen mitbringt«, sagte sie mit einem Lächeln. Sie war neben ihn getreten und hatte seinen Arm genommen. »Wohin geht es denn als Nächstes?«
    »Wieder nach Boston.«
    Mittlerweile konnten sie die Treppe hinunterschauen. An deren Fuß standen mit besorgter Miene Diener, die nun in Hörweite kamen. »Und Euer Gnaden?«, fügte Dappa deutlich vernehmbar hinzu.
    »Oh – Ihr meint, wohin ich als Nächstes reise?«
    »Ja, Mylady. Ihr seid gerade aus Hannover zurückgekehrt, wie ich höre?«
    »Antwerpen«, flüsterte sie. »Jetzt bin ich – wie Ihr das nennt – auf lange Sicht hier, Dappa.«
    Sie stiegen die Treppe hinunter – eine schlichte Prozedur, die sich dank der hilfreichen Bemühungen der Diener und einiger Angehöriger des herzoglichen Haushaltes über Gebühr in die Länge zog und verkomplizierte. Dappas stets auf Sprachen eingestelltes Ohr schnappte eine kurze, auf Deutsch geführte Unterhaltung zwischen zwei jungen Frauen auf. Sie waren gekleidet, als seien sie lediglich aus guter Familie. Doch für Dappa verriet ihre Haltung echten Adel.
     
    Dappa hatte Eliza zum ersten Mal vor etwa zwanzig Jahren gesehen. Er hatte sie inbrünstig gehasst. Er, Jack, van Hoek und Vrej Esphanian waren auf einem Schiff voller Gold in Vera Cruz in See gestochen, um London oder Amsterdam anzulaufen, und den Umweg über Qwghlm hatten sie nur gemacht, weil Jack in diese Frau vernarrt gewesen war. Der Brief, der sie dorthin gelockt hatte, war, wie sich herausstellte, ein Trick gewesen, eine Fälschung von der Hand des Jesuitenpaters Édouard de Gex, und die Minerva war in die Falle gegangen, welche die Franzosen ihr dort gestellt hatten. An Jack war so etwas wie Vergeltung geübt worden. Dappa, van Hoek und die Mannschaft der Minerva hatten weitersegeln dürfen, aber erst, nachdem das Gold im Laderaum der Minerva von den Franzosen beschlagnahmt worden war. Ihnen war nichts weiter geblieben als die dünnen Goldbleche, mit denen man den Rumpf unterhalb der Wasserlinie verkleidet hatte, als das Schiff an einem Strand in Hindustan gebaut worden war. Das und das Schiff selbst. Die Minerva war eine Heimat und ein Lebensunterhalt, aber nur

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