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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Augen und aus dem Sinn der Engländer, die ihren Tee gern mit Zucker trinken und sich nicht darum scheren, wie dieser gewonnen wird.«
    »Wie ich sehe, süßt Ihr Euren nicht«, meinte Dappa und hob seine Tasse.
    »Und aus der Tatsache, dass meiner ausgezeichneten Knochenstruktur noch immer Zähne anhaften, könnt Ihr schließen, dass ich noch nie Zucker verwendet habe«, gab sie zurück. »Unsere einzige Waffe gegen diese absichtliche Ignoranz sind Geschichten. Die Geschichten, die Ihr allein niederschreibt. In einer meiner Kisten im Erdgeschoss habe ich ein Päckchen mit Briefen von Engländern und Engländerinnen, die alle sinngemäß Folgendes schreiben: ›Ich hatte nie den geringsten Einwand gegen die Sklaverei, doch kürzlich kam mir Euer Buch vor die Augen, und obwohl die meisten darin enthaltenen Sklavengeschichten rührselig und langweilig sind, ließ doch eine davon eine Saite in mir erklingen, und ich habe sie seither immer wieder gelesen und erkannt, was für ein verabscheuungs-, ja fluchwürdiges Verbrechen die Sklaverei ist...‹«
    »Welche? Von welcher Geschichte sprechen diese Briefe?«, fragte Dappa fasziniert.
    »Das ist das Problem, Dappa. Jeder spricht von einer anderen. Wenn Ihr der Öffentlichkeit nur genügend Geschichten präsentiert, so scheint es, dass mancher Leser eine findet, die ihn anspricht. Aber man kann nicht sagen, welche.«
    »Was wir tun, ist also dem Abfeuern einer Kartätsche vergleichbar«, sinnierte Dappa. »Aller Wahrscheinlichkeit nach wird eine Kugel das Ziel treffen – man weiß aber nicht, welche -, also feuert man am besten viele ab.«
    »Und die Kartätsche ist manchmal eine nützliche Taktik«, sagte Eliza, »aber ein Schiff hat sie noch nie versenkt, oder?«
    »Nein, Mylady, das kann eine Kartätsche nicht.«
    »Ich sage, wir haben jetzt genügend Kartätschen abgefeuert. Mehr Wirkung ist damit nicht zu erzielen. Was wir jetzt brauchen, Dappa, ist eine Kanonenkugel.«
    »Eine Sklavengeschichte, die jeder zur Kenntnis nehmen wird?«
    »Ganz recht. Und deshalb macht es mir auch keinen Kummer, dass es Euch nicht gelungen ist, in Boston eine Kartätsche aufzutreiben. Schreibt ruhig nieder, was Ihr habt. Schickt es mir. Ich werde es veröffentlichen. Aber danach ist Schluss mit der Streuschuss-Taktik. Ihr müsst anfangen, Eure kritischen Fähigkeiten einzusetzen, Dappa, und nach der Sklavengeschichte suchen, die etwas hat, was über das falsche Pathos hinausgeht, das ihnen allen gemeinsam ist. Sucht nach der einen, die unsere Kanonenkugel sein wird. Es wird Zeit, dass wir ein paar Sklavenschiffe versenken.«

Der Kit - Cat Clubb
    AM SELBEN ABEND
    »Ich bin mir völlig sicher, dass wir beobachtet werden«, sagte Daniel.
    Dappa lachte. »Wolltet Ihr deshalb unbedingt mit Blick zum Fenster sitzen? Ich möchte wetten, dass noch niemandem in der Geschichte dieses Clubs an einem Blick auf diese Gasse gelegen war.«
    »Ihr tätet vielleicht gut daran, um den Tisch herumzukommen und Euch neben mich zu setzen.«
    »Ich weiß, was ich sehen würde: eine Menge Whigs, die den zahmen Neger anglotzen. Warum setzt Ihr Euch nicht neben mich, damit wir gemeinsam den Anblick der nackten Dame genießen können, die sich auf dem seltsam langen und schmalen Gemälde über Eurem Kopf rekelt?«
    »Sie ist nicht nackt«, gab Daniel barsch zurück.
    »Ganz im Gegenteil, Dr. Waterhouse, ich sehe unwiderlegliche Anzeichen von Nacktheit an ihr.«
    »Aber sie nackt zu nennen klingt lüstern«, wandte Daniel ein. »Sie trägt die einer Odaliske angemessene Berufskleidung.«
    »Vielleicht sind all die Augen, von denen Ihr Euch einbildet, sie beobachteten uns, in Wahrheit auf sie gerichtet. Das Gemälde ist neu, ich kann noch den Firnis riechen. Vielleicht sollten wir uns stattdessen unter das verstaubte Seestück dort setzen«, schlug Dappa vor und wies in Richtung einer anderen langen und schmalen Leinwand, die mit gebückten und zitternden holländischen Muschelsammlern bevölkert war.
    »Vorhin habe ich Euch die Herzogin von Arcachon-Qwghlm begrüßen sehen«, gestand Daniel.
    »Sie firmiert unter de la Zeur – so ist es weniger förmlich«, ließ sich Dappa vernehmen.
    Daniel war einen Moment lang verblüfft, zog schließlich ein gequältes Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ihr wirkt seltsam taumelig. Ich hätte Euch keinen Whisky bestellen sollen.«
    »Bin schon zu lange an Land.«
    »Wann segelt Ihr nach Boston?«
    »Ah, zum Geschäft! Wir hatten gehofft, in der zweiten Aprilhälfte in See

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