Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
unseligen Gerede über meinen Akzent begonnen habt.«
    »Es ist kein Akzent. Genau darauf will ich hinaus, Mylord.«
    »Sechzehn Monate logiere ich nun schon im Tower von London«, sagte Lord Gy ganz langsam, »und habe dieses Haus erst jetzt von innen zu sehen bekommen. Ich wollte Euch nur ein Kompliment zur Einrichtung machen.« Mit beiden Händen packte der Schotte die Kante der Tischplatte und hob das Möbelstück einen halben Zoll vom Boden hoch, um dessen Gewicht zu prüfen. »Diese Balken würden auch Kuhlen abhalten. Will sagen Kanonenkugeln.«
    »Eure Komplimente werden dankbar angenommen«, sagte Throwley. »Was die Verzögerung bei der Gewährung meiner Gastfreundschaft angeht – höchst bedauerlich. Wie Ihr wisst, ist es eine seit langem bestehende Tradition, dass der Lieutenant des Tower die Abendmahlzeit mit Standespersonen einnimmt, die hierher in Gewahrsam gebracht worden sind. Als Mitveteran habe ich ungeduldig auf den Tag gewartet, an dem ich diesen Tisch mit Euch teilen konnte. Wie niemand besser weiß als Ihr, Mylord, hat man es im ersten Jahr Eurer Einkerkerung für das Beste gehalten, Euch in schweren, am Boden des Beauchamp Tower befestigten Eisen zu halten. Das bedaure ich aufrichtigst. Doch seither haben wir keine Drohungen mehr von Euch gehört, keine Ankündigungen von Tod, Verstümmelung und Zerstückelung; und wenn doch, so haben wir sie nicht verstanden. Man hat es für angemessen erachtet, Euch wie die anderen Gäste in das Haus eines Yeoman Warders zu verlegen. Ihr und Mr. Downs kommt prächtig miteinander aus, will ich annehmen?«
    Sowohl Rufus MacIan als auch Ewell Throwley wandten ihre Aufmerksamkeit nun dem korpulenten, bärtigen Beefeater zu, der den Gefangenen über den Paradeplatz in das Logis des Lieutenant geführt hatte. Yeoman Downs wirkte ungeheuer zufrieden. So wirkte er unentwegt, schon seit er vor einer Viertelstunde die Tür seines winzigen Hauses auf dem Grün geöffnet und den Gefangenen in einem fliegenden Keil bewaffneter Wachen über das Gras geführt hatte.
    »Wee könn tosoom wie een Huus en Flom«, sagte Lord Gy würdevoll.
    Sowohl dem Lieutenant als auch dem Yeoman Warder schien der Ausdruck leichtes Unbehagen zu bereiten; und so trat ein peinliches Schweigen ein. Lord Gy füllte es, indem er irgendeinen unheimlichen, ziellosen gälischen Gesang vor sich hin summte.
    Das Logis des Lieutenant, das in der Südwestecke des Inner Ward lag, war eine Art Tudor-Haus, typisch für London vor dem großen Brand; inzwischen zeichnete es sich hauptsächlich dadurch aus, dass es niemals niedergebrannt war. Downs, Throwley und MacIan saßen in einem Esszimmer, das schon einiges mitgemacht hatte. Throwleys Dienstmädchen und Aufwärter hielten sich auf dem Flur bereit. Ein weiteres Dienstmädchen – eine Bediente von Lord Gy, die Downs und Gy über das Grün gefolgt war – verharrte mit einem zugedeckten Korb in der Eingangshalle. Vor der Eingangstür standen mehrere bewaffnete Wachen und blickten auf den Paradeplatz, auf dem es ruhig war. Vom Tower Hill her, wo die Garnison exerzierte, hörte man über die Befestigungen hinweg Trommelschläge und das Bellen von Sergeanten heranwehen. Außerdem hörte man das sporadische Tock, tock, tock der Zimmerleute beim Bau des Schafotts, auf dem in sieben Tagen Rufus MacIans Kopf von seinem Körper getrennt werden würde.
    »Ausgezeichnet«, sagte Throwley schwächlich, »so hat es auch Mr. Downs berichtet, und ich schätze mich glücklich, dass ich vor Eurem, äh, Heimgang diese Tafel mit Euch teilen kann.«
    »Eben habt Ihr von alten Traditionen gesprochen«, sagte Lord Gy mit einem angelegentlichen Blick auf den Yeoman Warder. Downs übermittelte das Signal an die junge Frau in der Eingangshalle, die sich nun ins Esszimmer verfügte. Ewell Throwley hob die Augenbrauen und blinzelte, denn sie war ein großes, kräftiges Mädchen mit so viel rotem Haar, dass es für drei durchschnittliche Köpfe gereicht hätte. Während sie über die Schwelle stürmte, vollführte sie im Laufen eine Art Knicks und bedachte Throwley mit einem Grinsen.
    »In Moor von Ranoch da waarden se wat oder se waarden go naex«, bot MacIan als Erklärung an.
    »Aha, Ihr habt eine... Clansfrau vom... Lande kommen lassen, damit sie sich um Euch kümmert.«
    »Ich kümmere mich um sie, Sir... ein Waisenkind ist sie... eine Tragödie, wenn Ihr es wissen wollt.« MacIan räusperte sich. Die Rothaarige nahm eine Flasche aus dem Marktkorb, den sie über dem Arm trug.

Weitere Kostenlose Bücher