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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Sie gab sie Downs, knickste und zog sich aus dem Zimmer zurück. Gy schnurrte ihr ein kehliges Kosewort zu. Downs reichte ihm die Flasche. Gy umfasste sie zärtlich mit beiden Händen. »Ich habe eine Rede vorbereitet!«, verkündete er in einer Sprache, die dem von Throwley gesprochenen Englisch ein ganzes Stück näher war. Das brachte die Anwesenden zum Schweigen. »Sir, dafür, dass wir verurteilte Verräter sind, behandelt Ihr uns hier gut. Der Tower ist kein Brot-und-Wasser-Knast, wenn man sich nur anständig aufführt. Ja, hier sind alle Arten von Lebensmitteln erlaubt, und so mancher speist, nachdem er verurteilt ist, im Tower besser, als er in London als freier Mann gegessen hat. Wie ich höre, ist es Tradition, mit den Wärtern, dem Major, dem Lieutenant und – Sir – dem Kommandanten selbst etwas von den Annehmlichkeiten zu teilen, die Ihr uns so großzügig gewährt. Und das habe ich mit allen anderen Offizieren auch getan. Aber – Sir – mit Euch noch nicht, denn ich hatte bis zu diesem Augenblick noch nicht die Ehre, Eure Bekanntschaft zu machen.« Er hob die Flasche. »Vorhin habt Ihr auf meine übellaunigen ersten zwölf Monate in diesen Räumlichkeiten angespielt. Ich gebe zu, ich war eigensinnig und dickköpfig. Ich habe Euch herabgesetzt. Ich habe mich nicht so betragen, wie es einem Highland-Gentleman ansteht. Doch einem Highland-Gentleman mangelt es niemals an der Erfrischung, die wir als Whisky kennen. Manche nennen ihn das Wasser des Lebens. Wenn man ihn mir zugestanden hat, haben sich meine Stimmung und mein Betragen verbessert. Doch heute habe ich sehr viel mehr von dem Wasser als vom Leben; denn mein Kalender sagt, dass ich heute in einer Woche auf dem Tower Hill eine Verabredung mit einem gewissen Jack Ketch habe. Und deshalb wollte ich, dass Ihr das bekommt, Generalleutnant Throwley. Ein Blutsbruder hat es mir erst gestern zukommen lassen, und wie Ihr seht, ist die Flasche noch gar nicht geöffnet.«
    Throwley verbeugte sich, streckte jedoch nicht die Hand aus, um die Flasche entgegenzunehmen, da Rufus MacIan sie noch nicht förmlich dargeboten hatte. Vorderhand begnügte er sich mit einem kurzen Blick auf das Etikett. »Glen Coe, zweiundzwanzig Jahre alt«, las er. »Sie ist ja so alt wie das Mädchen, das sie hereingebracht hat!«
    Downs lachte nach Art aller Untergebenen, die dem Humor des Vorgesetzten unterworfen sind. Lord Gy nahm es mit Ernst. »I hebbt jo een sjeldenen Skarpbleek, Sir, de twee syn glicks old.«
    »Mylord, ich kenne einige Londoner Gentlemen, die den Whisky in all seiner Vielfalt studieren wie die Franzosen den Burgunder. Ich gestehe, ich weiß wenig von Glen dies oder Glen das – aber ich bin zumindest so klug zu erkennen, dass eine Flasche, die zweiundzwanzig Jahre zählt, von seltener Vortrefflichkeit sein muss.«
    »Selten ist sie durchaus – es gibt nur noch sehr wenige davon. Sehr wenige. Ihr müsst Euch über Whisky kundig machen, Sir. Denn in den kommenden Jahren werden viele Jakobiten im Tower wohnen, und einige davon werden Highlander sein. Kein Mensch ist besser imstande als Ihr, einen Sammler und Kenner aus sich zu machen.«
    »Dann sollen meine Sammlung und mein Studium heute ihren Anfang nehmen! David, bring Branntweingläser«, rief Throwley dem Aufwärter zu, der vor dem Dienstboteneingang zum Esszimmer wartete. »Was könnt Ihr mir zu dieser Flasche sagen, Mylord? Was unterscheidet sie von gemeinem Branntwein?«
    »Je nun, Sir, Ihr müsst nicht nur das Alter bedenken, sondern auch die Herkunft, das, was die Franzosen den terroir nennen. Denn Schottland ist ein großes, abwechslungsreiches Land, ebenso zerfurcht, zerrissen und zernarbt wie mein Gesicht, trostlos hier, anheimelnd dort. Kein Ufer, kein Tal, kein Berg wie der andere. Ein jedes mit seinem eigenen Klima, seinem eigenen Boden, seinem eigenen Wasser. Adams Wein nennen wir das Wasser. Ich habe Highlander gekannt, die, wenn sie sich bei schlechtem Wetter verirrten, genau erkennen konnten, wo sie waren, indem sie aus einem Bach oder einem See eine Handvoll Wasser schöpften und einen winzigen Schluck davon nahmen.«
    »Oder, könnte ich mir denken, ein winziges Schlückchen in der nächsten Brennerei!«, warf Generalleutnant Throwley zur großen Erheiterung von Yeoman Warder Downs ein. Doch Rufus MacIan nahm den Scherz mit Gleichmut hin und machte dem Schmunzeln der beiden Engländer mit dem ruhigen, unverwandten Blick seiner klaren blauen Augen ein Ende.
    »Macht Euch nicht darüber

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