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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gelaufen, und das keine Bogenschussweite vom Tor entfernt. Man hatte einiges über Bord geworfen, um es wieder flottzumachen, und es dann vom Wind, der dwars einkam, an die Seite der schmalen Fahrrinne drücken lassen, wo es endgültig auf Grund gelaufen war. Das hatte die Fahrrinne wieder frei gemacht und es zumindest einigen ermöglicht, in einer Art Walboot zu flüchten: Es war nicht größer als eine Pinasse, aber mit Mast und Segel ausgestattet, das man gesetzt hatte, sobald man aus der Fahrrinne hinausgerudert war. Die Flucht des Walbootes wurde von der Kirche St. James aus beobachtet. Das würde allerdings nicht mehr sehr lange möglich sein; in einer Stunde würde die Dunkelheit hereinbrechen.
    Nachdem er seinen Bericht abgeschlossen hatte, wartete der Leutnant auf Befehle. Mr. Charles White, der ganz offensichtlich Herr des Unternehmens war, besaß immerhin so viel Anstand, Barnes erwartungsvoll anzusehen und es ihm zu überlassen, das entsprechende Kommando zu geben.
    Barnes überlegte lange – zunächst zum Entsetzen, dann zur Verärgerung von Charles White und Sir Isaac. Schließlich zuckte er die Achseln und gab Befehle. Der Leutnant sollte sich ans Ufer zurückrudern lassen und dort einen Vormarsch über das Watt auf Shive Tor befehlen. Die Atalanta sollte Segel setzen, das flüchtende Walboot verfolgen und dabei nur kurz innehalten, um ihre Pinasse an der Mündung der ausgehobenen Fahrrinne abzusetzen, damit ein Vorauskommando den Tor erreichen, jeden, der es nicht auf die Passagierliste des Walbootes geschafft hatte, festnehmen und den auf Grund gelaufenen Huker bergen konnte, ehe die wieder erwachende Flut ihn davonschwimmen ließ.
    Diese Befehle riefen intensive Aktivität vonseiten aller außer Charles White hervor, der mit einem Seufzer gespielter Erleichterung und einem Augenrollen darauf reagierte: Warum hatte Oberst Barnes nur so lange gebraucht? Kostbare Sekunden waren vergeudet worden, während er über Naheliegendes nachgegrübelt hatte!
    Barnes hatte White sofort, nachdem er seine Befehle gegeben hatte, den Rücken zugewandt. Er hinkte zu Daniel hinüber.
    »Ihr habt recht«, sagte Barnes. »Es ist – wie hat es Euer Freund doch gleich genannt? Ein abgekartetes Spiel.«
    »Woher dieser plötzliche Sinneswandel, Oberst Barnes?«
    »Aufgrund der Tatsache, dass ich keine Entscheidung zu treffen hatte. Ein Schwachsinniger hätte diese Befehle erteilen können.« Er warf einen flüchtigen Blick zu White hinüber. »Und fast hätte es auch einer getan.«
    »Habt Ihr die Absicht, an Bord zu bleiben oder in der Pinasse zum Tor zu fahren?«
    »Ein Holzbein ist in Schlamm nicht zu gebrauchen«, sagte Barnes.
    »Daniel, beim Tor wäre mir deine Hilfe von Nutzen«, verkündete Sir Isaac Newton und unterbrach damit, hinter Barnes auftauchend, ihr Gespräch. Er schlüpfte gerade in einen Rock und hatte einen Holzkasten mit heraufgebracht, der – nach dem funkelnden Blick zu urteilen, mit dem er jeden bedachte, der ihm nahe kam – naturphilosophische oder alchimistische Instrumente enthalten musste, wie Daniel annahm.
    Barnes überlegte einen Augenblick lang.
    »Andererseits«, sagte er, »könnte ich auch jederzeit auf einem Bein herumhüpfen.«

Logis des Lieutenant, Tower von London
    SPÄTNACHMITTAG
    Bis er zur Schlafkammer des jüngst verblichenen Stellvertretenden Kommandanten hinaufgestiegen war, steckten in den Simsen ihrer offenen Fenster bereits nicht weniger als vier Enterhaken. Während er näher trat, kam ein fünfter durch einen Schiebeflügel geschossen, und umherfliegendes Glas kostete ihn beinahe sein verbliebenes Auge. Er drehte sich rasch weg, schob sich mit dem Rücken ans Fenster, streckte die Hand in den Wind hinaus und schwenkte sie hin und her, bis er von unten einen Jubelschrei hörte.
    Sechzehn Monate zuvor war MacIan wegen eines Verstoßes gegen das Gesetz über Totschlag mit einer Stichwaffe verhaftet worden. Der Erstochene war ein Engländer gewesen: ein Whig, der sich in einem Kaffeehaus über ihn lustig gemacht und so getan hatte, als verstünde er kein Wort von dem, was der Schotte sagte. Anklägerin war die Witwe des Whigs gewesen. Vermöge diverser Ränke und Intrigen hatte sie es verstanden, ein paar Augenblicke impulsiver Messerstecherei zu einem Akt des Hochverrats aufzublähen. Indem sie die Tatsache ausschlachtete, dass ihr verstorbener Mann Parlamentsabgeordneter gewesen war, hatte sie den Richter davon überzeugt, dass es sich bei dem Vorfall in Wirklichkeit um

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