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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Euch schon aufgefallen, Mr. Threader – dass Ihr bestimmte Dinge dezent in die Vergangenheit entgleiten lasst – was praktisch ist -, sie aber niemals vergesst, was klug ist. In diesem Falle habt Ihr jedoch nichts vergessen; wir sind einander nicht förmlich vorgestellt worden. Im Sommer 1665 habe ich London verlassen und Zuflucht in Epsom gefunden. Da aus Angst vor der Pest sehr wenig Verkehr auf den Straßen herrschte, musste ich zu Fuß von Epsom zu John Comstocks Gut gehen. Das war ein ziemlich langer, aber keineswegs unangenehmer Marsch. Ich erinnere mich, dass ich von einer Kutsche überholt wurde, die zum Herrenhaus unterwegs war. Auf ihren Schlag war ein Wappen aufgemalt, das mir nicht vertraut war. Während meines Aufenthaltes dort habe ich es noch mehrfach gesehen. Denn obschon der Rest von England gelähmt – wie tot – war, wollte der Mann, der in jener Kutsche umherfuhr, um keinen Preis aufhören, sich zu rühren. Sein Kommen und Gehen war für mich der Beweis, dass die Welt nicht zu bestehen aufgehört hatte, dass die Apokalypse nicht eingetreten war – die Hufschläge seines Gespanns auf Comstocks Fahrweg glichen dem schwachen Puls im Hals eines Patienten, der dem Arzt verrät, dass der Patient noch lebt …«
    »Wer ist dieser Wahnsinnige, der da mitten in der Pest kommt und geht«, fragte Daniel, »und warum lässt ihn John Comstock in sein Haus? Er wird uns alle anstecken, der blatternbehaftete Lumpenkerl.«
    »John Comstock kann diesen Menschen ebenso wenig aussperren, wie er die Luft aus seinen Lungen verbannen könnte«, sagteWilkins. »Das ist sein Geldmakler.«
    Mr. Threader stiegen die Tränen in die Augen, obschon schwer zu entscheiden war, ob dies an Daniels rührseliger Erzählung oder aber daran lag, dass er endlich begriffen hatte, welcher Art Daniels schwache Verbindung zu den Silber-Comstocks war. Daniel brachte die Anekdote zu einem raschen, gnädigen Abschluss: »Sofern mich mein Gedächtnis nicht trügt, trägt der Schlag des Fahrzeuges, in dem wir gerade sitzen, dasselbe Wappen.«
    »Dr. Waterhouse, ich werde nicht stillsitzen, während Ihr Euer Erinnerungsvermögen schlechtmacht, denn Ihr habt wahrhaftig das Gedächtnis eines Elefanten, Sir, und es wundert mich gar nicht, dass Ihr schon im zarten Alter von der Royal Society aufgenommen worden seid! Eure Schilderung ist fehlerlos; mein verstorbener Vater, Gott hab ihn selig, hatte die Ehre, dem Earl von Epsom zu Diensten zu sein, genau wie Ihr gesagt habt, und meine Brüder und ich haben ihn, sozusagen während unserer Lehrjahre, auf seinen Fahrten nach Epsom mehrfach begleitet.«
     
    Er hatte versprochen, dass sie am nächsten Tag nach London hineinfahren würden, aber die Sache mit den zehntausend änderte alles. Mr. Threader befand sich nun in derselben Zwangslage wie eine Spinne, in deren Netz sich unerwarteterweise etwas Riesiges gefangen hat, das heißt, die Nachricht war gut, doch nun wurde viel hektische Aktivität von ihm verlangt. Demzufolge wurden sie am 28ten und 29ten Januar um Oxford herum aufgehalten. Wieder hätte Daniel ohne weiteres nach London gelangen können, aber er beschloss abermals, die Reise mit Mr. Threader zu Ende zu führen. Und so machte er einen kurzen Abstecher nach Oxford, wo er Freundschaften oder, je nachdem, Feindschaften mit Gelehrten an der Universität erneuerte, während Mr. Threader die Fäden seines an derartige Beanspruchungen nicht gewöhnten lokalen Netzes flickte.
    Am 30sten brachen sie spät auf. Daniel musste zunächst eine Mietdroschke finden, die ihn von Oxford nach Woodstock zurückbeförderte. Mit dieser irrte er in dem Bemühen, Mr. Threaders Wagenkolonne aufzufinden, eine ganze Weile in den Wäldern umher. Als er sie schließlich erspähte – sie stand vor einem Cottage am Waldrand -, sah er, dass er doch zu früh daran war, denn die Pferde hatten allsamt den Kopf in den Futtersäcken. Er hieß den Droschkenkutscher, seine Truhen an Ort und Stelle abzuladen, damit Mr. Threaders Leute sie auf dem richtigen Karren verstauen konnten. Er selbst jedoch blieb in der Droschke sitzen und wies den Fahrer an, eine Meile weiterzufahren und ihn dann abzusetzen, damit er einen Spaziergang durch den Wald zurück genießen konnte. Falls sie tatsächlich versuchten, an diesem Tag die ganze Strecke bis London zu schaffen, wäre dies seine letzte Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten.
    Im Wald war es durchaus angenehm. Der Frühling kündigte sich zeitig an. Obwohl die Zweige noch kahl

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