Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Zischen, halb Schrei, das rasch verebbte.
    Jack eilte zurück und sah einen Strahl aus schwarzem Rauch über die Stadt hinausragen. Auf der ihnen zugewandten Seite erschienen dessen Schwaden in einem unheimlichen Licht, wie eine Sturmfront bei Sonnenuntergang. Doch schon nach wenigen Minuten verblassten und verschwanden sie. Der einzige Beweis, der von diesem schweren und abscheulichen Vergehen gegen sämtliche bekannten Regeln sicherer Raketentechnik übrigblieb, war ein Haus mit einem Loch im Dach, kurz vor der Mincing Lane, und ein Seidenfaden, der eine Verbindung zwischen besagtem Loch und dem großen, an die Laterne des Monuments über ihren Köpfen gebundenen Flaschenzug herstellte. Von dort führte der Faden fast schnurgerade hinunter in einen polierten Kupferkessel, der ungefähr drei Schritte von Jack entfernt zwischen den Beinen eines stämmigen Inders stand. Der Inder packte den Faden mit einer Hand, damit nicht alles, was davon übrig war, durch sein Eigengewicht aus dem Kessel herausgesogen wurde. Jack blickte über das Geländer und sah, dass der Faden abwärts und dann in Richtung Osten fiel. Im Schatten des Monuments verlor er seine Spur. Aber fünfhundert Fuß entfernt auf dem Dach von St. Mary-at-Hill konnte er viel jungenhafte Unruhe ausmachen; dort wurde gehüpft, in die Luft gesprungen und mit Steinen geworfen, an denen Schnüre hingen. Jedem Beobachter, der nicht wie Jack wusste, dass wenige Ellen über den Köpfen dieser Leute ein Seidenfaden hing, wäre das alles wie eine Art Irrenhaus im Freien vorgekommen: herumtobende Männer und Knaben, die durch Hexerei oder Syphilis verrückt geworden waren.
    Ein entfernter Raketendonner ertönte aus der Umgebung des Tower von London. Diese zweite Rakete flog so schnell, dass sie in dem Moment, als ihr Geräusch an die Spitze des Monuments drang und Jacks Blick in ihre Richtung zog, bereits verschwunden und nichts mehr zu sehen war außer einem schwarzen Regenbogen, der sich über den Tower Hill und den Festungsgraben spannte und den Barking-Friedhof hinter der All Hallows Church mit den Zinnen des White Tower verband. »Nicht gerade ins Schwarze getroffen, aber auch nicht weit davon entfernt«, bemerkte Jack. Jetzt hatte er das Glück, genau in die Richtung zu schauen, in der ein weiterer weißer Flammenpfeil von der Themse hochschoss und einen Schleier aus schwarzem Pulverdampf hinter sich her zog. Seinen Höhepunkt erreichte er über der Tower Wharf, dann war die Kurve zu Ende. Der Schwung trug ihn nach Norden über den äußeren Graben hinweg, wo er schließlich in die Tower Lane krachte. »Verflucht, zu kurz!«, rief Jack, als das Abschussgeräusch sie erreichte.
    »Auf der Barke haben sie noch Ersatz, Dad«, sagte Danny.
    Jack schaute auf St. Mary-at-Hill hinab. Die Männer und Jungen auf dem Dach hatten sich merklich beruhigt – genau genommen rannten die meisten von ihnen jetzt, was natürlich ganz normal war, vom Schauplatz ihrer Verbrechen fort. Nur zwei blieben zurück. Der eine arbeitete an etwas auf seinem Schoß. Der andere fungierte als eine Art Ausguck. Die Mühe hätte er sich allerdings sparen können; die Rakete, die kurz zuvor kreischend über seinen Kopf geflogen war, hatte das Dachgeschoss des Hauses nahe der Mincing Lane in Brand gesetzt, worauf sich die Aufmerksamkeit der (kümmerlich vertretenen, zumeist selbst ernannten) Obrigkeit und des (weitaus tatkräftigeren und zahlenmäßig stärkeren) Pöbels eher dorthin als auf das Kirchendach richtete.
    Der Mann, der an etwas auf seinem Schoß gearbeitet hatte, fuhr plötzlich zurück, sprang auf und hob das Kinn, als hätte er eine Brieftaube aufgelassen und schaute nun zu, wie sie davonflog. Der Inder neben Jack fing an, in Windeseile die Schnur Stück für Stück einzuziehen. »Schaut mal runter!«, rief Jimmy, während er den kupfernen Fadenbehälter hochnahm und einfach übers Geländer warf.
    Ein Fluch von Danny: »Diesmal hat’s den Lanthorn Tower getroffen.« Dann ein weiteres Zischen und Kreischen vom Fluss her. Jack erblickte noch einen Rauchzacken in der Ferne.
    Mit einem komischen Geräusch, einer Kreuzung aus Platschen und Dröhnen, traf der Kupferkessel auf dem Pflaster unter ihnen auf. Tomba grinste hinter einem Fernrohr. »Männer in Kilts auf den Zinnen des White Tower«, verkündete er.
    »Und was machen diese Männer genau?«, fragte Jack, dessen Aufmerksamkeit auf das Dach von St. Dunstan-in-the-East gerichtet war, wo sich gerade eine Szene abgespielt hatte, die

Weitere Kostenlose Bücher