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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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verärgert, schnappte sich Daniel die Decke – zehn Pfund fettiger Qwghlm-Wolle – und legte sie sich um die Schultern. Sie pikte ihn durch seine Kleider hindurch wie ein Haufen Disteln, aber irgendwann würde es wärmer werden.
    Die Pinasse bockte wie ein Maultier, während ihr Kiel alle paar Ellen über den sandigen Boden schrammte. Sergeant Bob wurde wütend und fluchte dann so gotteslästerlich, dass Sir Isaac sichtlich Anstoß nahm. Die Hälfte der Dragoner entledigte sich ihres Pulverhorns und ihrer Granaten und setzte über die Dollborde, sodass sie hüfttief in der Fahrrinne landeten. Das leichterte das Boot so weit, dass sich sein Kiel aus dem Schlamm löste und sie es bewegen konnten, indem sie die Schulter dagegenstemmten, als handelte es sich um eine im Morast steckengebliebene Geschützlafette in Flandern. »Macht euch das flache Wasser zunutze«, sagte Barnes beifällig, »wir werden bald keines mehr haben.« Der Oberst hatte größtenteils die Brustwehr im Auge behalten, denn er machte sich eindeutig Gedanken um Heckenschützen. Isaacs Blick war auf den Huker gerichtet, der nun frei am Rande der Fahrrinne schlingerte – der Gezeitenwechsel war eingetreten! Der Sergeant widmete sich seinen Leuten.
    Daniel hatte als Einziger bemerkt, dass der Angriff der Ersten Kompanie von der Isle of Grain her zum Erliegen gekommen war, kaum dass er begonnen hatte. Nur wenige Ellen hinter dem Muschelgürtel waren einige der Pferde zu Boden gegangen. Der Rest war stehen geblieben, die Linie der Rotröcke war auseinandergerissen und hatte sich, um vorsichtig irgendein Hindernis zu umgehen, in zwei Flügel geteilt. Für ein Pferd mit gebrochenem Bein ertönte ein Pistolenschuss. Das erregte jedermanns Aufmerksamkeit. Man hörte außerdem ein fernes, dumpfes Pochen: eine Axt, die auf Holz schlug.
    »Jacks Männer haben Pfähle in den Boden getrieben«, vermutete Bob, »und Ketten dazwischen gespannt, um die Pferde aufzuhalten. Das dürften sie an den höchst gelegenen und trockensten Stellen getan haben, wo man den besten Halt hat; was uns verrät, dass die Flanken nun im Schlamm feststecken. Jemand versucht, einen Pfahl mit einer Axt durchzuschlagen.«
    »Dann stecken Nägel in dem Pfahl, und seine Axt ist bereits ruiniert«, verkündete Isaac geistesabwesend, ohne den Blick von dem Huker zu wenden.
    »Sir Isaac hat gute Ohren«, erklärte Daniel dem ungläubigen Bob.
    »Dann verstopft er sie sich jetzt am besten«, antwortete Bob und griff nach einer Muskete. Einen Augenblick später erbebte das Boot unter deren Rückstoß, als er in die Luft schoss. Er reichte sie einem der Dragoner, der sich wütend daranmachte, sie nachzuladen.
    »Solange Ihr Kugeln und Pulver vergeudet, vergeudet sie gefälligst an die Brustwehr«, sagte der Oberst.
    Binnen weniger Momente waren mehrere andere Musketen oben auf den Turm abgefeuert worden, und durch die ruhige Abendluft trieb eine große, klebrige Rauchwolke. Vom Shive Tor wurde das Feuer nicht erwidert. Aber die kleine Salve hatte den Effekt, den Bob beabsichtigt hatte: Die Dragoner vor der Isle of Grain saßen ab, schickten ihre Pferde zurück auf trockenes Land und rückten zu Fuß vor. Daniel bemerkte, dass sie inzwischen vor dem grauen Sand wie dunkle Staubteilchen aussahen. Noch vor wenigen Minuten waren ihre Röcke von stolzem Rot gewesen. Der Unterschied bestand nicht darin, dass sie mittlerweile alle mit schmierigem Schlamm bedeckt waren (obwohl das wahrscheinlich der Fall war), sondern dass es dunkel wurde und aus allem die Farbe wich. Beim Tor war sehr hell der Abendstern aufgegangen.
    Weit im Westen tat es einen gewaltigen Schlag. Er war so eindrucksvoll, dass er Isaacs Konzentration von dem Huker abzog. »Was war das?«, wollte er wissen – die erste Stimme, welche die Stille unterbrach, die sich über alle gesenkt hatte.
    »Eine große Menge Pulver ist auf einmal gezündet worden«, sagte Oberst Barnes. »Auf dem Schlachtfeld würde das einen schrecklichen Unfall bedeuten. Hier, vermute ich, war es die Sprengung der Brücke über den Yantlet Creek mittels einer Mine.«
    »Warum habt Ihr die Brücke verminen lassen, Oberst?«
    »Ich habe sie nicht verminen lassen.«
    Isaac war wie vom Donner gerührt. »Aber – wer war es dann?«
    »Nun fordert Ihr mich auf zu spekulieren, Sir Isaac«, sagte Barnes kalt.
    »Aber Ihr habt an dieser Brücke Männer postiert«, sagte Isaac.
    »Besser gesagt: ich hatte, Sir.«
    »Wie kann sie vermint worden sein, wenn sie bewacht

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