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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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allerdings beim nächsten Hochwasser nicht an Bord bin, dann müsst ihr, du und die Minerva, mich allein lassen.« Dappa schaute zum Fenster auf und sah sich dem schlimmstmöglichen Anblick gegenüber: Der Anreißer, der die Flugblätter verteilt hatte, war ihnen durch die Menschenmenge hindurch gefolgt und presste nun das glänzende Gesicht gegen die Scheibe. Sein Blick traf den Dappas. Dappa fühlte sich wie dereinst in Afrika, ein kleiner Junge, der am Flussufer gespielt und im Aufblicken das auf ihn gerichtete, gestreifte Auge eines Krokodils gesehen hatte. Es war, als stünden tausend Ahnen um ihn herum, die als großer, unsichtbarer Chor schrien: »Lauf! Lauf!« Und gelaufen wäre er auch, wenn er nicht gewusst hätte, dass er der einzige Schwarze im Umkreis von einer Meile war und niemals weit oder rasch genug hätte laufen können.
    Nun fiel ein Schatten wie von einer vor der Sonne vorbeiziehenden Wolke über das Kaffeehaus. Aber es war keine Wolke, sondern eine große, von vier schwarzen Pferden gezogene Kutsche, die vor dem Kaffeehaus vorfuhr und anhielt.
    Der Anreißer schenkte der vierspännigen Kutsche keine Beachtung. Ein wilder, triumphierender Ausdruck lag auf seinem Gesicht – das Einzige, was ihn zu einer noch unerfreulicheren Erscheinung hatte machen können. Den Blick nach wie vor durch das Fenster gerichtet, begann er sich seitlich auf den Eingang zuzuschieben.
    »Wiederhole die Anweisungen, die ich dir gegeben habe«, sagte Dappa.
    »Auf Mr. Sawyer warten. Auf den Vertrag schauen, als würde ich ihn lesen. Ihn unterschreiben. Zum Schiff laufen. Bei Hochwasser auslaufen, ob mit oder ohne Euch.«
    »Und wenn ihr aus Boston zurückkehrt, werden wir, so Gott will, alles in Ordnung bringen«, sagte Dappa und trat hinter dem Tisch hervor. Er begann sich in Richtung Tür zu bewegen.
    Ehe er sie erreichte, wurde sie von außen geöffnet. Die glänzend schwarze Flanke der Kutsche verstellte den Blick auf die Straße. Dappa schlug mit der Rechten seinen Rockschoß zurück und griff sich ins Kreuz. Dort, im Bund seiner Hose, steckte ein Dolch. Mit den Fingern ertastete er dessen Griff, zog ihn aber noch nicht. Der Anreißer erschien in der Tür, verstellte Dappa den Weg nach draußen und hüpfte dabei ekstatisch von einer Zehenspitze auf die andere, wie ein kleiner Junge, der pinkeln muss. Er blickte zur Seite, versuchte verzweifelt, jemandes Blick zu erhaschen – um einen Zeugen zu gewinnen oder einen Komplizen zu rekrutieren. Dappa nahm an, dass er denjenigen ansah, der die Tür geöffnet hatte. Dann drehte sich sein Kopf wieder Dappa zu, und er deutete mit dem Zeigefinger auf Dappas Gesicht, als richtete er eine Pistole auf ihn. Seinen Stapel von Handzetteln hatte er fallen lassen, und sie umwirbelten seine Knöchel und wehten in das Kaffeehaus.
    Nun tauchte schräg hinter dem Anreißer ein noch größerer Mann auf. Er war blond und blauäugig, ein junger Bursche, besser gekleidet, der etwas in der Hand hielt: einen Gehstock, den er senkrecht in die Luft schnellen ließ. Der Messingknauf am Ende schoss über seinen Kopf. Er bekam den Stock etwa in der Mitte zu fassen und ließ ihn in derselben Bewegung herabsausen. Der Messingknauf schlug hart gegen den Hinterkopf des Anreißers. Dessen Gesicht und dann der ganze Körper büßten ihren Tonus ein, als wären alle seine 206 Knochen mit einem Mal weich geworden. Ehe er zu Boden stürzen und die Tür blockieren konnte, trat der Blonde neben ihn und stieß ihn zur Seite. Der Anreißer kam außer Sicht, mit Ausnahme seiner Füße, die zuckend auf der Schwelle lagen. Der große Blonde ließ seinen Spazierstock durch die Faust gleiten, bis der Messingknauf wieder in seiner Hand lag. Er verbeugte sich auf denkbar formvollendete Weise vor Dappa, wies mit der freien Hand auf die Kutsche und bot sie ihm so als Fahrgelegenheit an. Und erst in diesem Augenblick erkannte Dappa den Mann als einen gewissen Johann von Hacklheber, einen Hannoveraner und Angehörigen des Hauswesens der Herzogin von Arcachon-Qwghlm.
    Dappa befand sich im hölzernen Schoß der Kutsche. Sie roch nach Elizas Toilettenwasser. Johann stieg nicht mit ein, sondern klappte den Schlag zu, hieb mit der flachen Hand dagegen und begann dem Fahrer und zwei Lakaien auf Deutsch Befehle zu erteilen. Die Lakaien sprangen von ihrem Bock am Heck der Kutsche und begannen durch den Abfall auf der Straße zu waten und dabei jedes Exemplar der Flugschrift aufzulesen, das sie finden konnten. Dappa sah durch das

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