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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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unseren Feind abgefeuert, zwar ein Ärgernis darstellen, niemals aber ein Sklavenschiff in den Grund bohren könnten. Ihr habt mich ermahnt, mit dem Sammeln von Traubenladungs-Kugeln aufzuhören und meine Bemühungen stattdessen darauf zu richten, eine einzige Kanonenkugel zu finden.
    Bis heute habe ich angenommen, dass sich die Kanonenkugel – mit der die Geschichte gemeint ist, welche die Engländer ein für alle Mal von der Widersinnigkeit und der Ungeheuerlichkeit der Sklaverei überzeugen wird – bei irgendeiner Sklavenauktion in São Paulo, Kingstown oder Carolina finden würde. Doch heute Nachmittag habe ich diese Kanonenkugel zu meiner Überraschung in meiner eigenen Magengrube gefunden. Die Minerva läuft mit dem Morgenhochwasser aus, aber Ihr findet mich vielleicht in irgendeinem Gefängnis in London. Ich werde Papier, Tinte und Eure Gebete brauchen.
    Euer untertänigster und gehorsamster Diener,
Dappa
    Er ließ das Schreiben auf der Bank liegen und stieß den Schlag auf der linken Seite der Kutsche auf. Eine kleine freie Stelle hieß ihn willkommen, denn wo der Blick nach Süden von der Kutsche verstellt wurde, standen natürlich keine Zuschauer. Johann bemerkte ihn nicht. Er war von dem Spektakel am Monument ebenso fasziniert wie alle anderen. Dappa schritt, ohne je ins Laufen zu verfallen, nordwärts durch die Menge auf die Bishopsgate. Er bildete sich ein, Verfolger zu hören, die auf die Belohnung aus waren; gleichviel, wenn sie nicht kamen, würden bald genug andere kommen.
    Kurz darauf saß er, buchstäblich im Schatten des South Sea House, in einem Kaffeehaus, schlürfte Schokolade und tat so, als läse er den Examiner. Als hätte er ein Recht, hier zu sein.
    Er war umgeben von geschäftigen Männern, die auf Tischen Dokumente entrollten: Karten der Buchten von Benin und Biafra, Ladediagramme von Sklavenschiffen, Hauptbücher, die von menschlichen Aktivposten überquollen. Vertraute Namen schwirrten durch die Luft: Akkra, Elmina, Ijebu und Bonny. Er fühlte sich – seltsamerweise – wie zu Hause. Noch seltsamer war, dass er sich ruhig fühlte. Er drehte die Zeitung um, leckte abermals seinen Bleistift an und begann zu schreiben.

Shive Tor
    ABENDDÄMMERUNG
    Binnen weniger Minuten stand Sir Isaac an Bord des Hukers, und sein Haar leuchtete im grellen Licht des brennenden Tor wie ein Kometenschweif. Daniel stand, vom Gewicht seiner Decke niedergedrückt, nahe bei ihm und spähte unter seiner zerknitterten Mütze hervor. Ein Trupp von vier Dragonern war über die Reling gebeugt und mühte sich, Oberst Barnes an Bord zu hieven, ohne ihm das andere Bein zu brechen.
    Die Pinasse entfernte sich sehr rasch, denn das Wasser war mittlerweile so tief, dass sie auch außerhalb der vertieften Fahrrinne manövrieren konnte. Der Huker hatte etwas mehr Tiefgang und war vorderhand noch auf die Fahrrinne beschränkt. Daniel nahm die Mütze ab, sodass er den Luftstrom auf seiner Kopfhaut spüren konnte, und verifizierte seine Vermutung, dass der brennende Tor einen mächtigen Luftsog entwickelte, der sich zum Teil am Rumpf und den nackten Spieren des Hukers fing. Das Boot wurde direkt in die Feuersäule hineingesogen, wie eine Motte in die Esse Vulkans.
    Barnes war sich dessen bewusst. Die Dragoner hatten begonnen, das Schiff nach einem Anker oder etwas, das denselben Zweck erfüllte, zu durchsuchen. Es gab keinen, denn die Falschmünzer hatten bei ihrer überstürzten Flucht die Ankertaue gekappt.
    »Gibt es da unten etwas, das einen schweren Eindruck macht?«, fragte Barnes einen Dragoner, der unter Deck herumgewühlt hatte.
    Isaac spitzte die Ohren, denn auch ihm lag sehr daran, etwas Schweres zu finden.
    »Nur eine mordsmäßige Truhe«, antwortete der Dragoner, »zu schwer, um sie zu bewegen.«
    »Hast du hineingeschaut?«, fragte Isaac, der so angespannt war wie eine hungernde Katze.
    »Nein, Sir. Sie ist verschlossen. Aber ich weiß, was drin ist.«
    »Woher weißt du das, wenn du nicht hineingeschaut hast?«
    »Na, weil ich es hören kann, Sir. Es tickt so stetig vor sich hin, wie man sich’s nur wünschen kann. Es ist eine riesengroße Uhr.«
    Als wären ihre Nasen durch ein Kabel miteinander verbunden, das soeben straff gespannt worden war, drehten sich Daniel und Isaac die Köpfe zu.
    Daniel sprach mit dem Dragoner, schaute dabei allerdings Isaac in die Augen. »Ist die Truhe so schwer, dass sie nicht an Deck geschafft und über Bord geworfen werden kann?«, fragte er.
    »Ich habe sie mit aller Kraft

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