Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Jewgeni. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er den Moskowiter wahrscheinlich schon bei allerhand schreckenerregenden Dingen beobachtet und fürchtete ihn jetzt mehr als Jack.
    Es folgte ein kurzer, gewundener Fußmarsch durch die dunklen Eingeweide des Tower. Nach dem dritten Richtungswechsel war Jack vollkommen verwirrt. Er mutmaßte, dass sie die Dicke der Umfassungsmauer hinter sich gebracht und die Bastion des Brick Tower betreten hatten.
    Dann lag eine Steintreppe vor ihnen, die in eine Finsternis hinabführte, der ihre Laternen nicht gewachsen waren. Ein abergläubischerer Mann als Jack hätte hier vielleicht einen Rückzieher gemacht, da er das Ganze als Vorahnung von Gefängnis, Tod und Abstieg in die Unterwelt gedeutet hätte. Doch in der Liste finsterer und haarsträubender Orte, in die Jack sich im Laufe seines Lebens hineingewagt hatte, war dieser hier kaum einer Erwähnung wert. Sie stiegen die Treppe hinunter, bogen an einem Treppenabsatz links ab und wandten sich am Fuß einer weiteren Treppe erneut nach links. Jetzt mussten sie in irgendeinem Normannenverlies sein. Doch nachdem sie eine Tür passiert hatten, fanden sie sich unter freiem Himmel und ausgerechnet auf einer Straße wieder: der Mint Street. Genau gegenüber stand ein Haus, eine ziemliche Bruchbude, fast vollkommen rußgeschwärzt. Die Tür dieses Hauses war offen, und drinnen leuchtete ein einzelnes Licht. Tür und Straße wurden von drei – Jack wohlbekannten – Männern bewacht, von denen jeder eine Donnerbüchse trug, die ideale Waffe, um den Pöbel in Schach zu halten. Und das blieb nicht ohne Wirkung, denn was an Menschen dort versammelt war – einige schmuddelige Münzarbeiter -, blieb in sicherer Entfernung weit unten in der Straße stehen, bereit, notfalls hinter der Krümmung des Bowyer Tower in Deckung zu gehen.
    Doch es gab keinen Notfall. Jack zügelte mitten auf der Straße seinen Schritt, setzte den schwarzen Tornister ab, als wollte er seiner ermatteten Hand eine Pause gönnen, und wandte sich nach den anderen um. Durch diese Bewegung flog sein goldgefütterter Umhang mit einem Schwung um ihn herum, was den eingeschüchterten Münzern nicht entgehen konnte. Wie sich herausstellte, war der Schwarzrock ihm dicht auf den Fersen. Also drehte Jack sich wieder um, griff nach seinem Tornister und trug ihn in das Haus des Münzwardeins.
    Das Haus war verlassen. Der Posten des Münzwardeins war eine einträgliche Pfründe und wurde normalerweise an einen Mann vergeben, der wenig Ahnung vom Münzprägen und noch weniger Vergnügen daran, stattdessen aber Freunde in hohen Positionen hatte. Ein solcher Mann würde nicht im Traum daran denken, in diesem Haus zu wohnen, auch wenn es ihm von der Regierung zum Gebrauch zur Verfügung gestellt wurde. In dieser verräucherten Straße mitten unter Soldaten würde er ungefähr so gerne wohnen wie neben einer Pferdeschlachterei am Rand von Dublin. Deshalb war das Haus zum größten Teil unbenutzt. Aber nicht ganz. Dem Schein einer Lampe folgend stieg Jack eine Treppe hinunter zu einer Kellertür, die offen stand.
    Das Kellergewölbe selbst war kaum eine Armlänge breit und gerade mal hoch genug, dass Jack aufrecht stehen konnte. Es hatte feuchte, triefende Wände, denn es befand sich fast auf der Höhe des Festungsgrabens. Aber es war solide gebaut. Am anderen Ende stand ein Tisch. Und auf dem Tisch ein schwarzer Kasten mit drei Schließbändern. Zwei davon versagten inzwischen ihren Dienst, an ihren Ösen baumelten offene Vorhängeschlösser wie frisch geschlachtetes Wild am Fleischerhaken. Das dritte Schließband wurde immer noch von einem Vorhängeschloss, so groß wie eine Männerfaust, verriegelt. Davor saß auf einem umgedrehten Korb ein kräftiger Mann, dessen Gesicht durch herabhängende schwarze Haare verdeckt wurde. Er spähte aus wenigen Zoll Entfernung auf das Schloss, das er in einer seiner großen Hände hielt, während die andere mit einer Art stählernem Zahnstocher dessen Innenleben bearbeitete. Nichts davon war für Jack auch nur im Geringsten bemerkenswert, denn er hatte all das erwartet, bis auf eins.
    » Das ist sie?«, entfuhr es ihm.
    »Das ist die Pyx«, antwortete der Mann, der auf dem Korb saß. Er sprach, als wäre er in die heitere Trance eines hindustanischen Mystikers eingetreten.
    »In jedem anderen Land würde man sich ein wenig Mühe geben, ihr ein blendendes Aussehen zu verleihen. Aber das hier ist ja nur ein scheußlicher Kasten.«
    »Alle Gegenstände, die die

Weitere Kostenlose Bücher