Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Entsetzen über Newtons Grausamkeit, sondern vor professioneller Bewunderung. »Angenommen, ihr Vorhaben ließe sich in die Tat umsetzen – eine Annahme, über die man in der Royal Society so ausführlich und hitzig debattieren könnte, wie man in diesem Hause über den letzten Krieg debattiert hat -, will sagen, ungeachtet aller praktischen Schwierigkeiten, die mit ihrem Projekt einhergehen, und angenommen, irgendein Dädalus der letzten Tage würde es ins Werk setzen -, so würde es nicht ausreichen, über einen Ozean zu navigieren, sondern lediglich die sorgfältigsten Seeleute in die Lage versetzen, das Auf-Grund-Laufen zu vermeiden, wenn sie in Ufernähe geraten.«
    Allgemeine Belustigung in der Kapelle, hervorgerufen vom Gesichtsausdruck der Herren Ditton und Whiston, die sich nicht einmal mehr Mühe gaben, wütend oder verärgert zu sein. Inzwischen sahen sie so aus, als lägen sie im Ärztekolleg auf einem Tisch und hätten ihre eigene Autopsie schon etwa zur Hälfte hinter sich.
    Wer nicht an der Unterhaltung teilnahm, war der Marquis von Ravenscar, dem ein Page soeben einen Zettel gereicht hatte. Er entfaltete und las ihn, und einen kurzen Moment lang wirkte er ebenso bestürzt wie Ditton und Whiston. Dann bekam er sich wieder in die Gewalt. Wie der taube Essensgast, der so tut, als habe er das bon mot gehört, setzte er ein wissendes Grinsen auf und passte seine Miene der Stimmung im Hause an. Er senkte den Blick auf die Dokumente, die auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet waren, als hätte er das Thema dieser Anhörung vergessen und müsste seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen. Dann meldete er sich zu Wort: »Lediglich zu vermeiden, den einen oder anderen Kontinent zu rammen, ist eine niedrige Hürde. Wie steht es mit den anderen drei Projekten, die der Theorie nach stimmen? Denn wenn es solcher herkulischer Anstrengungen bedarf, eine Methode zu praktizieren, dann, so scheint es mir, sollte man diese Anstrengungen besser auf Methoden richten, die es unseren Kapitänen ermöglichen, überall den Längengrad zu ermitteln.«
    Sir Isaacs Antwort umfasste viele, viele Worte, enthielt aber nicht mehr als die folgenden Informationen: Zu machen sei es durch Angabe der Zeit mithilfe eines ausgezeichneten, seetüchtigen Chronometers, von dem noch kein Mensch wisse, wie man ihn herstelle; oder durch Beobachtung der Satelliten des Jupiter durch ein ausgezeichnetes, seetüchtiges Fernrohr, von dem noch kein Mensch wisse, wie man es herstelle; oder indem man die Position des Mondes betrachte und sie mit Berechnungen vergleiche, die aus seiner, d.h. Sir Isaac Newtons, Mondtheorie abgeleitet werden könnten, welche zwar noch nicht ganz vollendet sei, aber in einem demnächst erscheinenden Buch vorgestellt werde. Wie es der zeitlosen, universalen Art von Autoren entsprach, die an öffentlichen Orten reden, versäumte er es nicht, dessen Titel zu erwähnen: Band III der Principia Mathematica mit dem Titel Das Weltsystem, in Kürze überall erhältlich, wo es Bücher gab.
    Der Marquis von Ravenscar bekam diese Rede nur in ihren groben Umrissen mit, da er die ganze Zeit damit beschäftigt war, Mitteilungen auf Zettel zu kritzeln und diese irgendwelchen Lakaien in die Hand zu drücken. Doch als seine Ohren ein längeres Schweigen wahrnahmen, sagte er: »Diese, äh, Berechnungen – wären sie denen ähnlich, die man bereits anstellt, um den Breitengrad zu finden? Oder -«
    »Unendlich komplexer.«
    »Zum Kuckuck«, sagte Ravenscar zerstreut, während er immer noch wie der ungezogenste Schuljunge der gesamten Weltgeschichte Mitteilungen kritzelte. »Vermutlich würde dann jedes Schiff ein zusätzliches Deck voller Rechner und eine Gänseherde benötigen, damit immer genügend Federkiele da sind.«
    »Oder aber jedes Schiff müsste eine arithmetische Maschine mit sich führen«, gab Newton zurück. Und da er den Versammelten nicht zutraute, seinen Sarkasmus wahrzunehmen, fuhr er fort: »- eine Schimäre des Hannoveraner Dilettanten und Plagiators Baron von Leibniz, die zu verwirklichen ihm nun schon seit vielen Jahren gründlich misslingt.« Und es schien, als schickte sich Newton an, die Fehler des Barons sehr viel ausführlicher aufzuzählen, doch er wurde unterbrochen und abgelenkt vom Eintreffen einer ganz frischen, von Ravenscars Feder noch feuchten Mitteilung in seiner Hand.
    »Die Mondmethode erfordert also auch einen Apparat, von dem wir noch nicht wissen, wie man ihn herstellt«, sagte Ravenscar und machte sich

Weitere Kostenlose Bücher