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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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orgelähnlichen Gerät und legte sie einstweilen auf das Notenpult über der Tastatur. Dann packte er ein Paar schwere schmiedeeiserne Griffe, die knapp über der Tastatur aus der Frontplatte der Maschine ragten, und riss kräftig daran. Aus der Maschine kam, wie eine herausgestreckte Zunge, eine Eisentafel zum Vorschein. Sie war flach und glatt, wie soeben aus dem Walzwerk ausgestoßen, und größtenteils frei von Markierungen oder Kennzeichen irgendwelcher Art. Doch im hinteren Teil befand sich eine flache, viereckige Vertiefung, die mit einem dichten Lochgitter versehen war, sodass sie an dieser Stelle wie ein Rost oder Raster aussah. Der Aufseher pflückte die Goldkarte vom Notenpult und legte sie in die Vertiefung, in die sie so genau hineinpasste, dass sie alle Löcher bedeckte und außen noch ein Rand blieb. Dann legte er die Handballen an die beiden Eisengriffe und stieß die Platte zusammen mit ihrer goldenen Fracht in die Eingeweide der Maschine zurück. Während sie dröhnend an ihren Platz sprang, konnte der aufmerksame Zuhörer ein metallisches Schnappen vernehmen, als wären irgendwelche Riegel eingerastet, um alles an Ort und Stelle zu halten.
    Er trat zurück. Nun nahm Miss Spates ihren Platz auf der Bank vor der Tastatur ein und strich ihr geflicktes Kleid glatt. Als Erstes beugte sie sich vor und spähte in ein auf der Konsole befestigtes Prisma. Was sie sah, gefiel ihr offensichtlich nicht, und so griff sie mit beiden Händen nach oben und begann, ein Paar Eisenkurbeln hierhin und dahin zu drehen und damit die Position der Sperrklappe einzustellen. Als sie zufrieden war, faltete sie züchtig die Hände im Schoß und sah Daniels Knie an.
    »An dieser Stelle darf ich eine kleine Rolle spielen«, bemerkte Daniel, griff in seine Brusttasche und zog eine Karte aus steifem Papier hervor, die Gegenstand mehrstündiger oder -tägiger Aufmerksamkeit eines feinen Federkiels gewesen war. Ihr Rand war mit Ziffernketten dekoriert, das Innere größtenteils mit einer eng zusammengekritzelten Handschrift bedeckt: Textblöcke in LATEIN und Englisch, Universale Zeichen und kurze Ziffernfolgen. Diese reichte er mit einer angedeuteten Verbeugung Hannah, die sie drehte und auf das Notenpult stellte.
    »Sie kann lesen?«, sagte Johann ungläubig.
    » Sie kann es tatsächlich – dank ihrem sie abgöttisch liebenden Vater -, aber das ist ungewöhnlich und strenggenommen nicht nötig«, antwortete Daniel. »Alles, was sie können müssen, ist, zwischen einer Eins und einer Null zu unterscheiden – wie Ihr selbst sehen könnt, wenn Ihr die Karte in Augenschein nehmt.«
    Johann, Eliza und Caroline scharten sich hinter Miss Spates zusammen, um ihr über die Schultern auf das Exemplar zu schauen, das auf dem Notenpult lag. Es trug viele Arten von Zahlen und Zeichen; aber sie hatte es so hingelegt, dass sie eine lange Kette von Ziffern lesen konnte, die am Rand standen. Jede dieser Ziffern war entweder eine Eins oder eine Null. Während die anderen sich unterhalten hatten, war sie mit dem Finger über die Tastatur gefahren und hatte manche Tasten gedrückt, andere dagegen nicht. Jedes Mal, wenn eine Taste niedergedrückt wurde, drangen aus irgendeinem System von Stangen und Hebeln im Innern des Mechanismus klickende und klackende Geräusche, und die Taste blieb niedergedrückt. Es war deutlich zu sehen, dass das Muster, das sie mit den Tasten herstellte, dem Muster von Einsen und Nullen entsprach, das auf dem Rand der Karte stand: Wo immer sie eine Eins sah, drückte sie die entsprechende Taste, und wo immer sie eine Null sah, übersprang sie sie.
    Die minuziöse, anspruchsvolle Tätigkeit von Miss Spates wurde begleitet von lauter, verschwitzter, heftiger Arbeit der Frauenzimmer an den Blasebälgen, die an Tempo zugelegt hatten und versuchten, die Quecksilbersäule bis zum roten Band zu stampfen. »Mit Eurer Erlaubnis, Sir«, keuchte eine von ihnen, »manchmal singen wir ein Lied, wie Seeleute, wenn sie eine Kabeltrosse einholen.«
    »Nur zu!«, gab Daniel zurück, sehr zur Verärgerung des Aufsehers, der gerade den Mund aufgemacht hatte, um es zu verbieten.
    Kennt Ihr schon Miss Sally Brown,
Die zapft dem Bauern’s Wasser,
Sie ist gar lieblich anzuschau’n
Wird nass und immer nasser.
     
     
    Pump mich, Sal, pump mich, Sal,
Keine zapft wie du so schnell,
Ran an die Pumpe, den Schwengel gedrückt,
Das hat noch jeden Kerl entzückt!
    Dann zog Sally in die Stadt
Geriet dort ganz von Sinnen,
Pumpt alles, was’nen

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