Principia
irgendetwas Derartiges hört, soll er -
»Euer Halber, Mister.«
»Das ist sehr freundlich von Euch, Saturn«, sagte Daniel, stellte den Federkiel in sein Gefäß und warf noch einen flüchtigen Blick auf das entfernt liegende Fenster, wo Partry an seiner Pfeife zog. »Wie habt Ihr erraten, dass ich Lust auf einen Halben hatte?«
» Ich habe Lust auf einen«, erwiderte Saturn.
»Warum habt Ihr dann nicht zwei mit heraufgebracht?«
»Ihr vergesst, dass ich der Inbegriff der Nüchternheit bin. Ich werde mein Vergnügen daraus ziehen, Euch beim Trinken zuzusehen.«
»Den Gefallen tue ich Euch gerne«, sagte Daniel und nahm einen Schluck. »Von Mr. Partry gab es noch kein Zeichen«, bemerkte er, denn Saturn hatte seine dunklen Augen über die Seite des Logbuchs schweifen lassen, die noch feucht von Tinte war. »Ich habe nur den Bericht auf den neuesten Stand gebracht.«
»Ich frage mich, warum Ihr ihn nicht in Realschrift verfasst«, hänselte Saturn ihn, »wo sie doch so ausgezeichnet ist.«
»Sie ist ausgezeichnet. Eine viel bessere Art, Wissen schriftlich festzuhalten, als Latein oder Englisch. Weshalb ich ein paar Jahre darauf verwandt habe, sie noch ausgezeichneter zu machen, indem ich sie in Zahlen umschrieb.«
»Aha«, meinte Saturn, »wollt Ihr damit sagen, dass die Ziffer, in der die Frauen von Bridewell die Karten prägen, eine Nachfahrin des Realen Zeichens ist?« Inzwischen hatte er den Platz mit Daniel getauscht und die Position auf dem Balkon eingenommen, deren sie in den letzten elf Tagen so überdrüssig geworden waren.
Daniel trug das Logbuch hinüber an seinen angestammten Platz oben auf einer Lattenkiste und machte sich daran, Sand über den letzten Eintrag zu streuen. »Weniger eine Nachfahrin als eine Schwester «, antwortete er. »Die Mutter von beiden ist die philosophische Sprache, eine Katalogisierung von Begriffen. Ist ein Begriff erst einmal in den Tabellen der philosophischen Sprache verzeichnet und erfasst, kann ihr eine Zahl oder eine Zahlenreihe zugeordnet werden -«
»Sozusagen kartesische Koordinaten«, sinnierte Saturn, »zur graphischen Darstellung der Wanderungen unserer Gedanken.«
»Der Vergleich stimmt nur bis zu einem gewissen Grad«, warnte Daniel ihn. »Um Mehrdeutigkeit zu vermeiden, verwendet die philosophische Sprache – zumindest Leibnizens Version davon – nur Primzahlen. Darin unterscheidet sie sich ziemlich von den Zahlenreihen Descartes. Jedenfalls kann diese Sprache, da sie aus Begriffen und Zahlen besteht, unter Verwendung jedes beliebigen Systems niedergeschrieben werden. Die binäre Ziffer unserer Logikmühle ist eine davon. Aber als ich noch ein junger Mann war, entwarf John Wilkins eine andere – die Realschrift -, die in der Royal Society eine Zeitlang groß in Mode war. Hooke und Wren benutzten sie.«
»Wer benutzt sie heute?«
»Niemand.«
»Wie kann dieser dunkle Philosoph sie dann lesen?«
»Dieselbe Frage treibt mich schon eine Weile um.«
»Dieser Wilkins muss ein Wörterbuch oder einen Schlüssel veröffentlicht haben -«
»Ja. Ich habe geholfen, ihn zu schreiben, während der Pest. Die Umbruchkorrekturen sind im großen Feuer verbrannt. Aber er wurde veröffentlicht und ist in unzähligen Bibliotheken zu finden. Doch bevor unser mysteriöser Käufer in eine solche Bibliothek geht und das Buch konsultiert, muss er erst einmal erkennen, dass die sonderbaren Hieroglyphen auf dem Papier zu etwas gehören müssen, was man Realschrift nennt. Stellt Euch vor, Peter, ich würde Euch einen in der Schrift von Malabar verfassten Text zeigen – wüsstet Ihr sofort, dass Ihr ein Malabarisch-Wörterbuch konsultieren müsstet?«
»Nein – meine Augen haben zwar schon viel gesehen, aber noch nie malabarische Buchstaben. Deshalb wären sie auch nicht imstande, sie von japanischen oder äthiopischen zu unterscheiden.«
»Genau. Unser Käufer dagegen scheint die Realen Zeichen auf Anhieb erkannt zu haben.«
»Aber ist das denn so verwunderlich, wenn man bedenkt, dass derselbe Käufer wusste, dass Sachen von Hooke in den Mauern von Bedlam verborgen sind? Daraus geht doch hervor, dass er viel über Eure Society weiß.«
»Ich glaube, das Wissen darüber, wo die Sachen zu finden waren, bekam der Käufer von Henry Arlanc, dem Portier der Royal Society.«
»Ich weiß, wer er ist.«
»Tatsächlich? Woher kennt Ihr ihn?«
»Er arbeitete für einen hugenottischen Uhrmacher, mit dem ich beruflich zu tun hatte, bevor ich dem Alkohol verfiel und eine
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