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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Kuriere befördert werden können. Auf die Gefahr hin, anmaßend zu erscheinen, habe ich dem Doktor (wie ich ihn aus Zuneigung weiter nenne, obschon er geadelt worden ist) angeboten, sich dieser Einrichtung zu bedienen. Mein Siegel auf diesem Umschlag bestätigt Euch, dass der beiliegende Brief, von anderen Menschen unberührt und ungelesen, aus den Händen des Doktors in die Euren gelangt ist.
    Wenn Ihr mir eine kurze persönliche Anmerkung verzeiht, so erlaube ich mir, Euch mitzuteilen, dass ich Leicester House erworben habe, das, wie Ihr vielleicht wisst, einmal das Zuhause von Elizabeth Stuart war, ehe sie unter dem Namen Winterkönigin bekannt wurde; wenn ich, was sich vielleicht bald ergibt, dorthin zurückkehre, so werdet Ihr mit Eurer Zeit hoffentlich so großzügig verfahren, dass Ihr mich dort besucht.
    Eure untertänigste und gehorsamte Dienerin
Eliza de la Zeur
Herzogin von Arcachon-Qwghlm
    In diesen Brief war ein zweiter in Leibnizens Handschrift eingeschlagen:
    Daniel,
    dass Gott die Gebete von Lutheranern erhört, ist eine von vielen, auch vielen Lutheranern, hitzig diskutierte Behauptung. So könnten denn auch die jüngsten Geschicke des Königs von Schweden in seinen Kriegen gegen den Zaren jenen recht geben, die da sagen, es müssten, um zuverlässig etwas Bestimmtes zu bewirken, nur Lutheraner niederknien und darum beten, dass Gott es verhüten möge. Dessen ungeachtet habe ich, seit man mich wissen ließ, dass Ihr Boston verlassen habt, jeden Tag um Eure sichere Überfahrt gebetet, und ich schreibe diese Zeilen in der Hoffnung und Erwartung, dass Ihr wohlbehalten in London angekommen seid.
    Es wäre ungehörig von mir, Euch gleich zu Beginn dieses Briefes um Eure Hilfe zu bitten, und so werde ich Euch ein wenig zerstreuen (jedenfalls schmeichle ich mir, das zu tun), indem ich Euch mein letztes Gespräch mit meinem Dienstherrn schildere: Peter Romanow oder Peter der Große, wie er inzwischen – nicht ohne völlig einleuchtende Gründe – von vielen genannt wird (ich sage »Dienstherr«, weil er mir ein Gehalt dafür schuldet – ich sage nicht »zahlt« -, dass ich in bestimmten Angelegenheiten als sein Berater fungiere; meine Herrin und Lehnsherrin ist nach wie vor Sophie).
    Wie Ihr wahrscheinlich wisst, besteht die Hauptbeschäftigung des Zaren seit ein paar Jahren darin, gegen die Schweden und die Türken Krieg zu führen. Das bisschen Zeit, das ihm daneben noch bleibt, verwendet er darauf, seine Stadt zu bauen, St. Petersburg, das allen Berichten zufolge zu einem schönen Ort emporwächst, obwohl es auf einem Sumpf errichtet wird. Mit anderen Worten, er hat wenig Zeit, sich das Geschwafel von Bedienten anzuhören.
    Aber etwas Zeit hat er doch. Seit er die Schweden aus Polen vertrieben hat, ist es ihm zur Gewohnheit geworden, jedes Jahr durch dieses Land nach Böhmen zu reisen und in Karlsbad einige Wochen lang eine Trinkkur zu machen. Das geschieht im Winter, wenn das Land zu öde ist und die Meere zu vereist sind, als dass er seine Kriege weiterverfolgen könnte. Karlsbad, das in einem dicht mit edlen Bäumen bestandenen Bergtal liegt, ist von Hannover aus leicht zu erreichen, und deshalb begebe ich mich dorthin, um meinen Lohn als Berater des Zaren aller Reußen zu verdienen – ich sage nicht »kassieren«.
    Aber wenn Ihr Euch ein friedliches Winteridyll ausmalt, so liegt das daran, dass ich die Szene nicht getreulich wiedergegeben habe. Denn erstens besteht der ganze Zweck einer »Trinkkur« darin, über Tage oder Wochen eine heftige Diarrhö hervorzurufen. Und zweitens bringt Peter eine riesige Entourage fideler Steppenwölfe mit, denen die gepflegte Langeweile von Karlsbad nicht gut bekommt. Worte wie »langsam«, »gemächlich« und »ruhig« scheinen sich, so verbreitet sie bei den von einem Vierteljahrhundert ständiger Kriege erschöpften Standespersonen Europas auch sein mögen, in keine der Sprachen übersetzen zu lassen, die in Peters Gefolge gesprochen werden. Diese Leute wohnen auf einem Gut, das ihnen sein Besitzer, ein polnischer Herzog, vermietet hat. Doch ich bin mir sicher, dass er es aus einem niedrigeren Beweggrund tut, als es die Gastfreundschaft ist. Denn die Russen finden es jedes Jahr in gutem Zustand vor und lassen es als Ruine zurück. Ich hätte den Ort gar nicht erreichen können, wenn ich nicht mit meiner Privatkutsche gekommen wäre; die ortsansässigen Kutscher wagen sich für keine Summe Geldes auch nur in die Nähe, aus Angst, dass sie oder ihre Pferde von

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