Principia
betreffende Gesetz zu verstoßen?«
Sie befanden sich in einem Zimmer in Leicester House, das in den Plänen des Architekten, vor Urzeiten, vermutlich als Grand Salon bezeichnet worden war. Als dann der Putz getrocknet und das Haus Stuart eingezogen war, hatte man es wahrscheinlich Salon genannt; heutzutage wäre es ein salle oder ein begehbarer Schrank. Hier war nichts von dem überbordenden Rokoko-Stuck zu sehen. Es war mit Holzpaneelen verkleidet, die immer mehr Risse bekamen und deren brauner Farbton dunkler war als Schwarz. Die verschiedenen Fenster des Raumes gingen nach Leicester Fields hinaus, waren aber hinter raffinierten Jalousien verborgen, die nur durch hartnäckiges Klopfen mit den Fingerknöcheln von der Wandverkleidung zu unterscheiden waren. Das Zimmer war klein, dunkel und ärmlich, aber Eliza schien es zu gefallen, und Daniel musste zugeben, dass es an einem Abend wie diesem etwas Tröstliches ausstrahlte.
»Dieser Pöbel wird oft erwähnt, ist aber nie zu sehen«, sagte die Prinzessin.
Daniel Waterhouse und Johann von Hacklheber holten im selben Moment Luft und machten den Mund auf, um ihr zu erklären, dass sie sich irre. Doch beide zögerten, wollten lieber dem anderen das Wort lassen, sodass als Nächstes wieder Carolines Stimme zu vernehmen war. »Ihr werdet mir jetzt mit Pöbel-Geschichten das Blut in den Adern gerinnen lassen, ich weiß«, sagte sie. »Aber für mich ist dieser Begriff philosophisch betrachtet anrüchig. Doktor Leibniz hat das Problem kollektiver Einheiten wie etwa einer Schafherde gründlich durchdacht und ist zu dem Schluss gekommen, dass diese als Zusammenballungen von Monaden zu betrachten sind. Was für eine Schafherde gilt, gilt umso mehr für eine Zusammenrottung von Londonern. Sie sind alle individuelle Seelen. Dieser Pöbel ist eine Erfindung von Köpfen, die zu faul sind, sie als solche zu behandeln.«
»Trotzdem habe ich den Pöbel gesehen«, sagte Daniel. »Manche würden sogar sagen, ich bin er gewesen .«
»Und doch seid Ihr so intelligent, wie Gott einen Mann nur machen konnte«, sagte Caroline. »Das beweist, dass der Pöbel ein inkonsequenter Begriff ist.«
»Ich habe eine Kostprobe vom Pöbel bekommen, als Dappa mit einer auf seinen Kopf ausgesetzten Prämie die Threadneedle Street hinuntergejagt wurde«, sagte Johann von Hacklheber. »Wenn er auch aus individuellen Seelen bestand, so war ihm doch eine Art kollektiver Wille anzumerken.«
»Pfui!«
»Das ist müßig«, sagte Eliza, »das Thema könnt Ihr mit dem Doktor in Hannover aufgreifen. Wir müssen uns den anstehenden Problemen widmen. Johann, an dem Tag, als Dappa gefasst wurde, war der Pöbel durch Handzettel aufgestachelt worden, die Charles White gedruckt und verteilt hatte. Wie könnte Bolingbroke deiner Meinung nach in der gegenwärtigen Krise den Pöbel aufheizen?«
»Ihr müsst Euch vergegenwärtigen, Euer Gnaden, dass beim Pöbel neunzig von hundert Individuen schlichtweg Kriminelle sind, die nur eines nichtigen Vorwands bedürfen, um loszuschlagen«, sagte Daniel. »Sie sind wie grobes Schießpulver im Lauf einer Muskete, das durch eine Prise feinkörniges Pulver auf der Pfanne gezündet wird. Mit anderen Worten, ein durch die Arglist eines Dritten gelenkter provocateur könnte in einem Pöbelhaufen zehn oder hundert Individuen dazu anstiften, Amok zu laufen. Bolingbroke wird solche Provokateure auf Plätzen und Straßen postiert haben, wo sie auf möglichst viele Menschen Einfluss nehmen können. Um sie ihrerseits zu animieren – gewissermaßen das Pulver in der Pfanne zu entzünden -, bedarf es nur eines kleinen Skandals oder Zwischenfalls. Unter anderem könnte er die Anwesenheit hannoverscher Spione aufdecken.«
»Ich verstehe«, erwiderte die Prinzessin. »Es war also töricht von mir herzukommen.«
»Nein, denn es hat Eure Königliche Hoheit womöglich vor dem Zugriff von de Gex’ Attentätern bewahrt«, erklärte Daniel.
»Tatsächlich töricht wäre es gewesen«, meinte Johann, »hierherzukommen, ohne auf diese Nacht vorbereitet zu sein.« Während er das sagte, schaute er seiner Mutter fest in die Augen. Eliza erhob sich.
»Mutter und Sohn sind geschickt zu Werke gegangen«, vermutete Caroline, »während die einfältige Prinzessin sich an ihrem neckischen Abenteuer erfreut hat.«
»So war es immer und wird es immer sein, solange wir ein Königshaus haben«, bemerkte Eliza. »Vielleicht könnt Ihr uns unsere Anstrengungen vergelten, indem Ihr Taten vollbringt, die
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