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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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einem Ort der Angst«, erklärte Daniel, »aber von seinen Insassen befreit, ist es ein Gebäude wie jedes andere – vielleicht stinkt es ein bisschen mehr als die meisten.«
    »Dasselbe könnte man von seiner Schänke sagen«, bemerkte Partry, während er eine eisenbeschlagene Kerkertür aufzog, um eine überraschende Flut von Kerzenlicht und eine alle Befürchtungen übertreffende Front Misthaufengestank freizusetzen.
    »Ihr meint also, dass es in Wirklichkeit die Leute von Newgate sind, die uns Angst einflößen«, sagte Isaac.
    »War der Schwarze Hund jemals in seiner ganzen bedauerlichen Geschichte so hell erleuchtet?«, fragte Daniel, als er durch die Tür trat. Der Raum war nämlich so mit Kerzen übersät wie zuvor die Stufen mit Läusen. Und es waren echte Wachskerzen, keine Binsenlichter. Selbst das Speisezimmer des Viscount Bolingbroke war heute Nacht nicht auf so feine Art erleuchtet. Der Schwarze Hund gehörte nicht zu den Tavernen, die viel Mobiliar enthielten – die Gäste standen oder lagen auf dem Fußboden. Natürlich gab es einen Schanktisch, der eine Art Barriere zwischen den Gefangenen und dem Schnaps darstellte. Der war jetzt eine Palisade aus brennenden Kerzen. Sean Partry führte sie dorthin. Daniel folgte ihm, blieb aber auf halbem Weg in der Mitte des Raumes stehen und schaute sich um. Seine Augen mussten sich immer noch an die Helligkeit gewöhnen, aber er konnte deutlich genug sehen, dass sonst niemand anwesend war.
    »Wo ist der -«, hob er an.
    »Wie viel um alles in der Welt ist denn hier für Kerzen ausgegeben worden?!«, fragte Isaac. »Ein Vermögen! Seid Ihr verrückt geworden?«
    »Die Zeiten, in denen ich verrückt wurde, sind vorbei«, erwiderte Partry, während er dem Schanktisch den Rücken zukehrte, sodass er zu einem Schatten wurde, der den Feuerschein halbierte. »Kümmert Euch nicht darum. Ich habe die Kerzen von meinem eigenen Geld bezahlt. Wenn wir hier fertig sind, werde ich sie Gefangenen geben, die sich nicht einmal die schäbigen Talglichter leisten können, mit denen die Gefängniswärter hausieren, und deren Augen das Licht vergessen haben.«
    »Ihr wagt Euch weit vor«, sagte Isaac. Er und Daniel standen jetzt Partry gegenüber, Schulter an Schulter, die Hitze des Kerzenlichts wie die Sommersonne auf ihren Gesichtern. »Euch wird nichts gezahlt werden, ehe wir nicht unser Ziel erreicht haben. Wo ist der Gefangene?«
    »Es gibt keinen Gefangenen«, sagte Partry, »und hat nie einen gegeben. Ich habe Euch die ganze Zeit über belogen. Jede Auskunft, die Ihr heute Abend über den Verbleib von Jack Shaftoe erhaltet, wird nicht von irgendeinem erdichteten Gefangenen, sondern von mir kommen.«
    »Warum habt Ihr uns belogen?«, fragte Isaac.
    »Euch anzulügen hat mir ermöglicht, eine Zusammenkunft auf neutralem Boden zu arrangieren«, antwortete Partry und stampfte mit dem Fuß auf. »Hier fühle ich mich beim Enthüllen meiner Information sicher.«
    »Und wie lautet sie zu guter Letzt, die Information?«, fragte Isaac.
    »Dass ich Jack Shaftoe bin«, antwortete Jack Shaftoe, » alias Jack der Falschmünzer alias Quecksilber und viele weitere Spitznamen und Titel. Und dass ich bereit bin, heute Abend meine Karriere zu beenden, vorausgesetzt, wir können die richtigen Bedingungen aushandeln.«

Golden Square
    ZUR SELBEN ZEIT
    Wenn der Sinn einer Abendgesellschaft darin bestand, interessante Menschen zusammenzubringen und ihnen vorzügliche Speisen und Getränke zu servieren, dann war Viscount Bolingbrokes soirée das Ereignis des Jahres. Manch einer mochte zwar die Überzahl der Whigs auf der Gästeliste beklagen, aber Bolingbroke war seit gestern das Torytum an sich und brauchte deshalb keinen Klüngel um sich herum. Bestand jedoch der Sinn einer Abendgesellschaft darin, interessante Gespräche in Gang zu bringen, dann war das der bisher größte Reinfall seit Beginn der Aufklärung; ja, Robert Walpole summte sogar, um die Stille zu füllen. Ein Dutzend Männer saßen am Tisch; nur zwei von ihnen – Bolingbroke und Ravenscar – waren befugt zu sprechen. Diese beiden schienen aber vollauf zufrieden mit Teller und Flasche und mit der beängstigenden Stille im Raum. Von Zeit zu Zeit versuchte einer der jüngeren Whigs, ein Gespräch über ein neues Thema in Gang zu bringen, doch wie ein Funken, der in Moos geschlagen wurde, zischte und rauchte es ein paar Augenblicke, bis Bolingbroke oder Ravenscar mit den Worten »Man reiche mir das Salz!« einen Eimer Wasser

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