Principia
den Kopf.
»Vergessen wir also heute und versuchen es am Mittwoch«, schlug Daniel vor.
»Das wird helfen – ein wenig.«
»Es muss aber am Nachmittag sein – wir können nicht bis zum Abend warten.«
Partry erwog es und zuckte schließlich die Achseln. »Alles ist einen Versuch wert«, sagte er. »Aber Ihr solltet besser mit einem Beutel voller Pfund Sterling auftauchen und bereit sein, Eure Auskünfte Wort für Wort zu erkaufen.«
»Wenn es nur darum geht, mit Pfund Sterling aufzutauchen«, sagte Isaac, »dann weiß ich, wo ich welche bekomme.«
Golden Square
SPÄTER NACHMITTAG, 28. JULI 1714
»Was kann ein starkes Getränk in dieser Phase des Spiels schon schaden?«, fragte Roger Comstock, Marquis von Ravenscar. »Ihr und ich sind bereits aus den Sterbetafeln der Royal Society herausgefallen – lebende Beleidigungen für die Profession der Versicherungsstatistiker.«
»Würdet Ihr nicht besser nüchtern da hineingehen?«, fragte Daniel. Er selbst wandte das Gesicht, Roger dagegen sein Hinterteil dem besten Haus am Platz zu. Es erinnerte Daniel an eine Theaterbühne, aber nicht im Stil neuer Opernhäuser, in denen die Schauspieler sich hinter einem Bühnenportal drängten, sondern eher wie im hölzernen O von W. Shakespeare: Ein ebener Innenhof (hier der Platz) war von mehrstöckigen, mit wohlbetuchten Voyeuren vollgestopften Galerien umgeben (die anderen Häuser ringsherum) und wurde von einem prachtvollen Gebäude beherrscht, das alles andere überragte (Bolingbrokes Haus) und geschickt durchwoben war von Durchgängen, Rutschen, Leitern und Treppen, die verschiedene Balkons, Türmchen, Fenster etc. miteinander verbanden, wo jeden Moment wichtige Figuren auftauchen konnten, um durch ein Gespräch, ein Stelldichein, ein Komplott oder einen Schwertkampf die dramatische Handlung irgendwie voranzutreiben. Es bot ein ganzes Arsenal an Möglichkeiten. Die auf dem Square verstreuten Gründlinge konnten ihren Blick nicht davon lösen. Außer Roger. Aber Roger war ja auch kein Gründling. Er war kein einfacher Zuschauer, sondern ein Hauptdarsteller – ein Capulet oder Montague, ganz nach Belieben -, der den Square als eine Art Künstlerzimmer benutzte. Er bereitete sich darauf vor, die Bühne von links zu betreten und seinen Auftritt zu beginnen, nur war sein Text noch nicht geschrieben.
Kein Wunder, dass er trank. » Ihr habt schon im Schwarzen Hund Krüge gehoben. Wir wollen doch fair bleiben.«
Schon der bloße Gedanke daran, mit den Lippen eins der Trinkgefäße im Schwarzen Hund zu berühren, verursachte einen mittleren Aufstand in Daniels Verdauungstrakt. »Ich würde mich dort nicht einmal hinsetzen , geschweige denn etwas trinken .«
»Wir setzen uns hier auch nicht«, betonte Roger, »und trotzdem hält mich das nicht ab.« Einer von seinen weniger gefährlich aussehenden Dienern war mit einem Tablett näher getreten, das bis auf zwei bernsteinfarbene Fingerhüte leer war. Roger nahm einen davon und kippte dessen Inhalt in seinen elfenbeingeschmückten Rachen. Daniel schnappte sich den anderen, nur um zu verhindern, dass Roger einen doppelten trank.
»Dass Ihr Euch so dagegen sperrt, einfach mit der Sprache herauszurücken und zu sagen, wie die Verhandlungen laufen, ist eine Art Folter für mich«, erklärte Roger. Dann, an den Diener gewandt: »Noch eine Runde, bitte, um den Schmerz zu betäuben, den mein zugeknöpfter Stubengenosse mir zufügt.«
»Wartet«, sagte Daniel, »wir haben noch nicht mit dem Gefangenen gesprochen.«
Roger brach in einen orgiastischen Hustenanfall aus.
»Das ist eine gute Nachricht!«, versicherte Daniel ihm. Was so dreist gelogen war, dass es Roger verstummen und sich aufrichten ließ.
»Ihr spielt mit mir, Bursche.«
»Ganz und gar nicht. Warum sollte unser Gefangener so besorgt sein, dass er sich nicht einmal bereit erklärt, sein Gesicht im Schwarzen Hund zu zeigen?«
»Weil er ein verdammter Feigling ist?«
»Selbst ein Feigling sollte von Jack nichts zu befürchten haben – es sei denn, er besäße Informationen, die für Jack höchst gefährlich sind.«
»Ich habe eine Frage an Euch, Daniel.«
»Dann fragt bitte, Roger.«
»Habt Ihr jemals in Eurem Leben an einer Verhandlung teilgenommen? Eine Eigenschaft, die man oft bei Leuten findet, die das getan haben, ist nämlich die Fähigkeit, manche der eher phantastischen Aussagen des Gegners zu durchschauen.«
»Roger -«
»Wie Cloudesly Shovell, der die Felsen von Scilly erst aus dem trüben Wasser
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