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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Roger, und so machen wir uns, wann immer wir nicht anderweitig beschäftigt sind, daran, unser politisches Klafterholz aufzustapeln. Das hat jeder von uns im Überfluss. Andere Männer würden den Holzstapel für groß genug erklären und das Beil weglegen. Ihr und ich wissen jedoch, dass es verbrannt werden soll und dass es, einmal angezündet, schnell verbrennen wird. Dieses ganze Reich, das wir das Vereinigte Königreich nennen, ist jetzt ein großer Stapel Klafterholz, oder besser zwei Stapel, einer namens Whig und einer namens Tory. Sie stehen so nah beieinander, dass nicht einer angezündet werden kann, ohne den anderen in Brand zu stecken. Alles, was man braucht, ist Zunder und ein Funke. London ist heute Abend voll mit Zunder, was Euer Werk ist, und meins: die Milizarmeen und der Pöbel. Hay Market, Holborn, Smithfield und Charing Cross, überall dort haben sie sich um ihre Feuer versammelt, während wir hier gestanden und ihnen zugeschaut haben.«
    Mit diesen Worten lenkte Bolingbroke Rogers Aufmerksamkeit auf die erwähnten Viertel, indem er mit dem Arm von einem großen Kreuzungspunkt zum nächsten fuhr. Ausnahmsweise sagte er die Wahrheit. Über ihnen waren die Sterne aufgegangen. Von einem Moment auf den anderen wurden sie sichtbar. Sie blitzten jedoch nicht plötzlich auf, sondern kamen ganz ruhig zum Vorschein, so wie Sandbänke bei ablaufendem Wasser aus dem Meer auftauchten. Auf ganz ähnliche Weise war London an diesem Abend zu einer Konstellation von Feuern geworden; sie waren nicht alle im selben Moment angezündet worden, und doch gab es jedes Mal, wenn Roger sich umschaute, mehr davon. Ganze Viertel lagen im Dunkel, aber zwischen und in ihnen war ein flackerndes und pulsierendes Netz aus Feuer geflochten worden, verstreut, gedehnt und zerrissen wie ein altes Spinnennetz. Roger wusste, dass es, einem alten Spinngewebe gleich, fest verankert, klebrig, zäh und nicht leicht wegzuwischen war. In Wirklichkeit war es die ganze Zeit da gewesen, allerdings unsichtbar, wie die Fäden eines Spinnennetzes, in die man in der Dunkelheit hineinläuft. Das Feuer erhellte es nur und ließ seine Größe prächtig erstrahlen.
    Er ließ seinen Blick weiter flussabwärts schweifen, vorbei an der Kuppel von St. Paul’s und dem Monument zu einer alten Zitadelle am Fluss mit einem viertürmigen Bergfried: dem Tower von London. Heute Nacht war er dunkel und still, denn in der Münze wurde nicht gearbeitet. Tower Hill, der unbebaute grüne Gürtel rund um den Festungsgraben, war mit Feuern gesprenkelt. Roger löste seinen Blick von dieser Ablenkung und machte die dunkle Masse des Legge’s Mount aus, der sich wie eine Faust der unruhigen Stadt entgegenreckte. Von dort aus suchte er gegen den Uhrzeigersinn die Mauern des Tower ab, bis er in der Mitte der Südmauer den Bloody Tower und den Wakefield Tower entdeckt hatte, die, eng verbunden wie verunstaltete zusammengewachsene Zwillinge, auf den Pool von London hinausgingen. Auf jedem der beiden Dächer war ein Signalfeuer entfacht worden. Zwei Feuer, kleine Funken, aus dieser Entfernung mühelos zu erkennen. Eins hätte einfach nur ein Feuer sein können. Aber zwei waren ein Signal, gesendet von jemandem, der eine ausgezeichnete Sicht auf das Treiben im Pool hatte.
    »Ich halte nicht viel von Eurer Feuerholzallegorie, Henry«, sagte Roger, »denn es ist zu offensichtlich, dass sie mich erschrecken soll. Außerdem weiß ich, was Ihr als Nächstes sagen werdet: dass Euer Holzstapel größer ist als meiner. Mit solch lockerem Gerede über das Schreckgespenst eines Bürgerkriegs könnt Ihr mir keine Angst einjagen. Denn so schlimm das auch wäre, was Ihr stattdessen vorschlagt, ist noch schlimmer: Ihr würdet uns in die Zeit der Blutigen Maria zurückversetzen.«
    »Nicht so, Roger, nicht so! Seine Königliche Hoheit ist zwar Katholik, aber -«
    »Was das andere angeht, fühle ich mich durch Eure Truppen und Eure Macht noch nicht eingeschüchtert. Prinzessin Caroline ist, was immer Ihr Euch über sie ausmalen mögt, nicht in London.«
    Bolingbroke lachte. »Aber Roger, Ihr habt mir doch erst vor einer Stunde erzählt, Ihr hättet sie durch mein Teleskop gesehen!«
    »Aber da habe ich gelogen, Henry.« Jetzt war Roger an der Reihe, die Karaffe zu nehmen und sein Glas wieder zu füllen. Während er das tat, wandte er den Blick nach Süden zum Hay Market. Auf seiner ganzen Länge hatten sich vor kurzem seuchenartig einzelne Feuer ausgebreitet, die sich mit einer breiteren Kette

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