Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
zusammengesackt, noch immer in der Tür. Sein Bart war fast so lang wie der von Salomon Kohan. Einer seiner Arme war ein bis zum Ellbogen reichender Stumpf mit einer schwer aussehenden Prothese als Verlängerung.
    »Er ist es«, rief Mr. Kikin, »Jewgeni, der Raskolnik! Wo ist mein Leibwächter, wenn ich ihn endlich einmal brauche?!«
    »Ihr braucht ihn nicht, Sir«, sagte Saturn, stieg über den Tisch und griff nach dem Harpunenschaft, »denn als langjähriger Bewohner von Hockley-in-the-Hole fasse ich es als persönliche Beleidigung auf, dass unserem Gast eine solche Unhöflichkeit widerfahren ist.« Er riss den Harpunenschaft von seiner Stahlspitze ab, die noch für lange Zeit in dem Tisch eingebettet bleiben sollte. »Ich betrachte es als meine persönliche Pflicht, diesem Jewgeni jetzt den Schädel einzuschlagen.« Saturn machte einen Schritt auf die Tür zu, während Jewgeni einen Schritt zurücktrat, um ins Freie zu gelangen und Platz für einen Zweikampf zu schaffen, doch Saturns Angriff wurde im Keim erstickt, als eine noch größere Hand als die seine sich um den Harpunenschaft schloss und ihn ihm wegnahm. »Eure Bereitwilligkeit ist von Seiner Majestät sehr wohl bemerkt worden«, erklärte Kikin hastig, »aber der Streit ist grundsätzlich eine Angelegenheit zwischen Russen und Russen, äußerst schwierig zu erklären, und die Ehre gebietet, dass er bereinigt wird, ohne unsere liebenswürdigen Gastgeber damit zu behelligen. Bitte nehmt wieder Platz und setzt Eure Unterhaltung fort.« Und damit eilte er hinter dem Zaren her zur Tür hinaus.
    Die weitere Entwicklung wurde durch die Menschenmenge verdeckt, die sich in diesem Viertel um jeden Kampf herum sammelte, egal ob Stiere gegen Terrier oder Zaren gegen Raskolniki. Durchs Fenster konnten sie nur die Rücken vieler Männer sehen. Dank der außergewöhnlichen Körpergröße der Kämpfenden erhaschten sie hin und wieder einen Blick auf einen herumwirbelnden dicken Stock, einen herabsausenden Streitflegel oder einen sich gegen den Himmel abzeichnenden Blutspritzer. Im Wesentlichen mussten sie den Fortgang des Duells jedoch an den Zuschauern ablesen, die sich in seltsamer Sympathie mit den Kämpfenden bewegten. Genau wie ein Bowlespieler sich auf dem Rasen wand und seinen Körper hierhin und dorthin neigte, als könnte er dadurch den Lauf einer Kugel beeinflussen, die seine Hand bereits verlassen hatte, so drehten und schwenkten diese Kampfbeobachter nahezu synchron Schultern und Becken in die eine oder andere Richtung, wenn sie eine Möglichkeit sahen, einen Schlag zu landen, oder sie zuckten zusammen, litten und stöhnten, wenn einer getroffen worden war.
    Saturn war ziemlich enttäuscht gewesen, als Peter ihn entwaffnet und sich gleich darauf in den Kampf gestürzt hatte. Er brauchte ungefähr eine Minute, um sich davon zu erholen. Dann verfiel er dem Zauber der unheimlichen Sympathie, die all die Zuschauer verband, straffte die Schultern und steuerte mit den Worten auf den Ausgang zu: »Den Zaren inkognito hier zu haben, war wirklich ein Vergnügen, aber vermutlich war es nicht zu vermeiden, dass die Kunde sich verbreitet und so etwas wie jetzt passiert.«
    Von der Gruppe, die ursprünglich am Tisch gesessen hatte, waren jetzt nur noch Daniel, Isaac, Leibniz und (in der Ecke, etwas abseits von den anderen) Salomon Kohan übrig. Der Tisch lag immer noch auf einer Kante.
    »Hätte ich es nicht vom Zaren selbst gehört«, sagte Isaac zu Daniel, »hätte ich einer so verschrobenen Behauptung niemals Glauben geschenkt – dass, nach allem, was zwischen uns passiert ist -«
    »Alles, was zwischen dir und mir passiert ist, Isaac, ist nichts im Vergleich zu den Machenschaften und Intrigen und Betrügereien rund um das verdammte Gold. Mir persönlich ist inzwischen völlig egal, wohin es geht. Bis vor ein paar Stunden hätte ich es noch gerne dir gegeben, denn ich dachte, du seiest der einzige Mann auf der Welt, der davon wusste oder dem es etwas bedeutete.«
    »Und was hat sich in den letzten paar Stunden so grundlegend geändert?«, fragte Isaac, ziemlich schockiert.
    »Jetzt sitzt auf dem Kuchen nicht bloß eine einfache Fliege, sondern eine Gottesanbeterin«, sagte Daniel und wies mit dem Kopf auf das Handgemenge um Peter, »und zwar eine, die mit einem nicht nur nach Gottesanbeterinnen-, sondern auch nach menschlichen Maßstäben außergewöhnlichen Verstand begabt ist. Er erhebt Anspruch auf das Salomonische Gold. Tut mir leid.«
    Danach überlegte Daniel

Weitere Kostenlose Bücher