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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Samenkorn liegen, dann müssen sie zu gegebener Zeit die gleiche Form annehmen und wie die Arme einer Schneeflocke zu Abbildern voneinander werden.«
    »Ich hoffe, die arme Schneeflocke schmilzt nicht, bevor sie diese Perfektion erreicht«, sagte Daniel, »in der Hitze jener Feuer, die Caroline in ihren Träumen sieht.«
    »Das vorauszusehen oder zu verhindern liegt außerhalb unserer Fähigkeit. Wir können nur alles in unserer Macht Stehende tun, um das Werk voranzubringen.«
    »Apropos«, sagte Daniel, »hier ist etwas für Euch.« Während Leibnizens Ausführungen hatte er von Zeit zu Zeit nach oben zu dem aus London auf die Brücke strömenden Verkehr geschielt. Jetzt hob er eine Hand und winkte jemandem oben auf dem Square. Leibniz folgte seinem Blick und entdeckte William Ham, den Bankier, winkend auf einem Wagen, der soeben am oberen Ende der Treppe zum Stehen gekommen war. Das Gefährt war von einer auffällig großen Zahl überdurchschnittlich muskulöser Träger bevölkert, von denen manche blieben, wo sie waren, und die Vorbeigehenden samt und sonders durch starre Blicke verlegen machten. Andere sprangen von dem Wagen und machten sich daran, verschiedene kleine Kisten die Treppen hinunterzutragen und zu Füßen von Leibniz aufzustapeln. Ungefähr zur selben Zeit fuhr der Leichter von der Sophia so nah heran, dass Tauenden herübergeschleudert werden konnten; auf dem Brückenkopf herumlungernde Fährleute fingen sie aus der Luft auf und vertäuten das Boot. Ein Hannover’scher Diener setzte über das Dollbord und bückte sich, um die erste der Kisten hochzuheben und wegzutragen; doch Leibniz fragte ihn auf Deutsch, ob es ihm schrecklich viel ausmachen würde, sich noch einen Augenblick zu gedulden. »Wenn sie das sind, wofür ich sie halte -«, sagte er zu Daniel.
    »Das sind sie.«
    »Dann werden sie später von Männern gezählt, die unglaublich genau sind, sobald es um Gewichte und Maße geht, und ich möchte, dass alle Zahlen stimmen!«
    So wurden es immer mehr Kisten, bis der Wagen oben leer war. Jede war mit einem Wachsmedaillon versiegelt worden, das das Zeichen der Bank von England trug – denn dort waren sie bis vor ein paar Minuten gelagert worden, und man konnte immer noch die Feuchtigkeit des Bankgewölbes riechen, die aus den Holzporen entwich. William Ham kam mit einer großen Umhängetasche voller muffig riechender Papiere herunter, denen man die Herkunft des Kisteninhalts entnehmen konnte, angefangen bei Salomon Kohans Bericht über das von der Minerva übernommene Gold über alle Zwischenstationen des Walzens und Schneidens im Hof der Technologischen Wissenschaften und des Stanzens in Bridewell. Leibniz untersuchte sie alle, und danach zählte er die Kisten (7), zählte sie noch einmal (7) und bat Daniel, die Zahl nachzuprüfen (7). Schließlich unterzeichnete er die Papiere an verschiedenen Stellen mit GOTTFRIED FREIHERR VON LEIBNIZ, und Daniel bestätigte die Richtigkeit der Signaturen mit seiner Unterschrift. Ganz zum Schluss gab Leibniz die Erlaubnis, die Kisten an Bord des Leichters zu bringen, zählte sie aber während dieses Vorgangs ein weiteres Mal (7).
    »Das ist ein Anfang«, sagte Daniel. »Wie Ihr wisst, werden noch viel mehr kommen. Da Ihr aber ohnehin eine Reise nach Hannover vorhattet, dachte ich, ich könnte Euch genauso gut alles geben, was wir bisher haben stanzen können.«
    »Das fügt dem, was sonst ein melancholischer Abschied hätte werden können, eine äußerst erfreuliche Coda hinzu«, sagte Leibniz, nahm vor Daniel Fechterstellung ein und zwang seine Gesichtszüge zum Scheinbild eines Lächelns. »Und es sollte wirklich das Ende sämtlicher irrigen Gedanken sein, die sich mit der Frage in Euren Schlaf gedrängt haben könnten, ob Ihr es Wilkins wohl recht gemacht habt. Ihr habt ihm alle Ehre gemacht, Sir.«
    Darauf wusste Daniel nichts zu sagen, und so trat er vor und umarmte Leibniz heftig. Leibniz erwiderte die Umarmung, so fest er konnte, dann löste er sich daraus, wandte Daniel den Rücken zu, ehe der sein Gesicht sehen konnte, und sprang ins Boot, alles nahezu in einer Bewegung. Er zählte ein letztes Mal die Kisten, oder tat so als ob, während die Leinen losgemacht wurden und das Boot abfiel und in den aufgewühlten Schlund des Schleusenkanals gierte.
    »Sieben?«, rief Daniel.
    »Genau sieben!«, kam die Antwort. »Ich werde Euch auf dem Parnass wiedersehen, Daniel, oder wo immer Philosophen landen!«
    »Ich glaube, sie landen in alten Büchern«,

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