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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Georg II. Die meisten besaßen die Höflichkeit und den Anstand, sich an dieses Grundprinzip zu halten, aber Daniel Waterhouse verstieß dagegen, indem er sich als alter Mann ins Lager der jungen Leute schlug. Und dann war er am Arm des Marquis von Ravenscar!
    »Ich höre jetzt am besten auf zu zeigen und zu starren, man scheint uns schon zu beobachten«, sagte er zu Roger und versuchte sich den Anschein zu geben, als machte er eine Bemerkung über das Wetter von gestern, »aber zum Schluss will ich Euch doch noch sagen, dass Ihr die Dicke und die Dünne ganz deutlich sehen könnt.« Wie tout le monde wusste, waren diese beiden Georgs Mätressen; seine richtige Frau war natürlich immer noch irgendwo jenseits der Weser in einem feuchtkalten Schloss eingesperrt.
    »Ich hatte sie schon erkannt, Sir«, entgegnete Roger trocken. »Und sie scheinen mich erkannt zu haben – und auf Todesstrafe!«
    »Ich glaube, ihr Funkeln versteht Ihr völlig falsch«, sagte Daniel, nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Dicke und die Dünne tatsächlich versuchten, mit der Hitze ihrer forschenden Blicke Rogers Augenbrauen in Brand zu stecken. »So starrt eine Wölfin im Thüringer Wald ihre Beute an, bevor sie zuschlägt. Das tut die wilde Hündin des Nordens jedoch nicht aus Hass , sondern aus der kühlen Erkenntnis heraus, dass sie dem unglückseligen Hasen, Schaf oder Ähnlichem ihre Erhaltung verdankt.«
    »Oh, ist das alles, was sie wollen? Geld?«
    »Mit einem Wort: ja.«
    »So wie sie mich anstarren, hatte ich gedacht, sie wollten, dass ich mein Schwert ziehe und es mir in meine edlen Teile stoße.«
    »Nein«, bestätigte Daniel, »sie wollen Euer Geld.«
    »Das ist gut zu wissen.«
    »Warum? Werdet Ihr ihnen jetzt etwas davon geben?«
    »Das wäre unhöflich«, sagte Roger und errötete bei dem bloßen Gedanken. »Aus meiner Sicht spricht aber nichts dagegen, ihnen das von jemand anderem zu geben.«
    Schließlich waren sie so nah, dass es sich nicht mehr gehörte, irgendjemand anderem als ihrem (bislang noch ungekrönten) König Aufmerksamkeit zu schenken. Kraft seiner Eigenschaft als Regent erhielt Daniel dieses eine Mal Vortritt vor Roger, und Seine Majestät erkannte ihn sogar. »Dr. Vaterhaus von der Royal Society«, ratterte er los, während er Daniel erlaubte, ihm die Hand zu küssen – das allerletzte Mal, so hoffte Daniel jedenfalls, dass er seinen puritanischen Vorfahren Anlass böte, sich im Grab umzudrehen. Er wurde so verzehrt von Abscheu vor dem, was er da tat, und von der bangen Frage, ob er sich durch diese Hand, die heute schon von der Hälfte aller Syphilitiker Englands geküsst worden war, irgendetwas zuziehen würde, dass ihm völlig entgangen war, was der König gesagt hatte. Das Problem bestand darin, dass Seine Majestät in eine andere Sprache übergewechselt hatte – eine, die er tatsächlich beherrschte – und Daniel nicht mitgekommen war, sein Ohr nicht darauf umgestimmt hatte. Mit seiner ungeküssten linken Hand gestikulierte Georg in Richtung der Fenster in der hinteren, südlichen Mauer des Hauses, die einen recht schönen Blick über einen wachsenden grünen Rasen boten, der hier und da von Pfaden durchzogen und wie mit Federbüschen mit sorgfältig angeordneten Baumgruppen verziert war. Aus der größten und höchsten davon auf der rechten Seite ragte das eigentümliche, als Königliches Observatorium bekannte Bauwerk heraus: zwei Bücherstützen, die ein Buch einschlossen. Doch abgesehen davon waren nur wenige Gebäude sichtbar, sollte das Ganze doch einen Park darstellen.
    Daniel, dem mit einer gewissen Verzögerung bewusst wurde, dass der König sich in einer bisher noch nicht identifizierten Sprache an ihn wandte, verstand nur ein einziges Wort: Rüben . Was bedeutete es? Etwas reiben? Vielleicht ließ der König sich soeben darüber aus, dass die Verwalter des Queen’s House die Fenster wirklich sauber gerieben hatten? Daniel fing gerade an zu nicken, als der König entgegenkommenderweise » navet « sagte. Daniel erkannte mit Schrecken, dass er auf Französisch umgewechselt hatte, um sich besser verständlich zu machen – aber Daniel verstand ihn immer noch nicht! Sprach er von der Navy? Das wäre in gewisser Hinsicht plausibel, da das, was das Königliche Observatorium machte, für die Navy von großer Bedeutung war. Daniel nickte weiter. Schließlich mischte Bothmar sich ein – Baron von Bothmar, der zu der Zeit, als Hannover und England noch verschiedene Länder waren,

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