Principia
Versuch, dem zu entgehen, fand aber keine Möglichkeit, auf die Seite der Themse zu gelangen und ein vorbeifahrendes Schiff herbeizuwinken, ohne unangenehm aufzufallen. So starrte er auf den Rasen und tat, als philosophierte er über die Rübenanpflanzung. Als ihn das Gefühl beschlich, dass dieser Vorwand nicht mehr so recht griff, richtete er den Blick auf das Observatorium oben auf dem Hügel und fragte sich, ob Flamsteed wohl noch wach war und etwas dagegen hätte, wenn Daniel dort hinaufginge und sich an den Geräten zu schaffen machte. Doch auch das gab er auf, als er zufällig auf die letzte Zuflucht Introvertierter auf Cocktailpartys stieß: ein Dokument, in das völlig versunken zu sein er vorgeben konnte. Es war ein Flugblatt, das, mit der Schriftseite nach unten und den Abdrücken von Herrenstiefeln bedeckt, auf dem Steinpflaster der Terrasse lag. Daniel zog es mit der Spitze seines Spazierstocks über den Zeh und konnte es von dort irgendwie auffischen und umdrehen.
Oben auf dem Blatt befanden sich zwei nebeneinander angeordnete gleich große Porträts. Das eine sah aus wie ein Tintenfleck. Es war die jämmerliche Darstellung eines schwarzhaarigen schwarzen Mannes in einem schwarzen Anzug mit zwei daraus hervorstechenden weißen Augen. Die Bildunterschrift lautete: Dappa, festgehalten im April 1714 von dem namhaften Porträtisten Charles White . Das andere war ein ziemlich guter Stich eines afrikanischen Gentleman mit silbrigen Filzlocken und einem Bart, düster natürlich, aber mit einer Palette von Hauttönen, die durch die Schraffuren und andere Tricks des Kupferstechers angedeutet wurden. Darunter stand: Dappa, festgehalten im September 1714 von -, und hier folgte der Name eines hoch angesehenen Künstlers. Bei näherem Hinsehen fiel Daniel im Hintergrund des Bildes ein vergittertes Fenster auf, durch das man die Silhouette von London sich über die Themse erheben sah. Das war der Blick aus der Liberty of the Clink.
Der Titel lautete NACHTRAG zu RUHM von DAPPA. Daniel begann zu lesen. Es erwies sich als kitschige und, wie Daniel argwöhnte, sarkastische Lobrede auf den Herzog von Marlborough.
»Das war keine Absicht«, bemerkte ein Mann, der Pfeife rauchend in der Nähe stand. Aus dem Augenwinkel heraus hatte Daniel diesen Burschen bereits als Soldaten erkannt, denn er trug eine Offiziersuniform. Da er in ihm jemanden ausgemacht hatte, der sich ebenso ungern unter die Leute mischte wie er, hatte er den schlichten Anstand besessen, ihn zu ignorieren. Dagegen hatte dieser General oder Oberst oder was immer er war schlechte Kinderstube bewiesen, indem er Daniel ansprach, während der etwas zu lesen vorgab, um mit niemandem ins Gespräch kommen zu müssen. Daniel schaute auf und sah erstens, dass Kragen, Paspelierung, Ärmelaufschläge und so weiter seiner Uniform die der King’s Own Black Torrent Guards waren. Und zweitens, dass es Marlborough war.
»Was war keine Absicht, Mylord?«
»Als Ihr unmittelbar nach meiner Rückkehr in diese Stadt vor anderthalb Monaten zu meiner Levée kamt, hatte ich gerade etwas aus der Feder dieses Burschen gelesen«, sagte Marlborough. »Muss wohl ein paar Bemerkungen darüber gemacht haben. Diese anderen Kerle müssen losgegangen sein und das Gerücht verbreitet haben, ich sei ein glühender Verfechter von Mr. Dappas Werk. Wie es scheint, ist er seitdem nur noch bekannter geworden. Leute haben ihm Geld geschickt – er lebt jetzt in der schönsten Wohnung, die das Clink zu bieten hat, und ergeht sich dort auf einem privaten Balkon und wird von Stutzern und dergleichen besucht. In der Schrift, die Ihr da in der Hand haltet, sagt er, er sei dadurch beinahe zu einem Weißen geworden, und präsentiert zum Beweis diese Porträts. Er trage immer noch Ketten, aber diese seien weniger einschränkend als die Ketten des Geistes, durch die manch einer an überholte Vorstellungen wie zum Beispiel die Sklaverei gefesselt sei. Er hält sich also jetzt für einen Gentleman und hat begonnen, Spenden in der Hoffnung bei einem Treuhänder zu hinterlegen, dass er Charles White kaufen kann, sobald der Preis tief genug gesunken ist.«
»Meiner Treu, Ihr habt das Ding ja praktisch auswendig gelernt!«, entfuhr es Daniel.
»Ich musste in letzter Zeit viele Stunden mit Warten darauf verbringen, dass Seine Majestät langsam gesprächig wird. Dappa schreibt gut.«
»Ihr habt wieder das Kommando über Euer altes Regiment, vermute ich?«
»Ja. Die Einzelheiten sind vollkommen
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