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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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hinausgingen. Manche davon waren Schlachthäuser, die sich vor langer Zeit wie Fliegen entlang des Nordufers dieses Grabens angesammelt und ihn dazu benutzt haben mussten, ihre Schlachtabfälle loszuwerden. Ebenso die Gefängnisküche, gleich dort neben dem Abort.
    Und als Nächstes kam dann das Gebäude, das von den Soldaten bewacht wurde.
    Daniel hatte gerichtliche Eingaben von Häftlingen gelesen, die in einer bestimmten Haftkammer auf der Herren-Seite des Fleet eingekerkert gewesen waren und sich Anwälte genommen hatten, die sie um jeden Preis dort herausholen sollten. Solche Gefangene waren nämlich in der Regel keine Schuldner. Sie waren von der Curia Regis oder der Sternkammer dorthin geschickt worden, gefährlich und wohlhabend allesamt. Laut diesen Dokumenten lag der Ort auf der südlichen Seite eines Grabens, was nur verständlich war, wenn man es als Hinweis auf den verschwundenen Graben auffasste. Das Verlies wurde beschrieben als »von Kröten und Ungeziefer verseucht« und »bis zur Sättigung mit ekelhaften Dämpfen erfüllt« und »undurchlässig für den geringsten Lichtstrahl«. Die Häftlinge waren dort an Krampen im Fußboden angekettet und dazu verdammt, in Jauche zu liegen – ihrer eigenen (da es nicht einmal einen Eimer gab) und der, die durch die Wände sickerte.
    Diese fröhliche Grübelei wurde von Saturn unterbrochen, der mit einer Serviererin im Schlepptau zurückgekommen war. Sie setzte ihnen die Getränke vor. Saturn hatte sich in der Schankstube (von der es hieß, sie sei ebenso gut mit aktuellem Lesestoff ausgestattet wie jeder beliebige Club Londons) ein paar Zeitungen geborgt und setzte sich hin, um sie bei seiner Schokolade zu überfliegen.
    Daniel musterte – wenn auch vielleicht nicht so scharf wie die Gefängniswärter – die Frau, von der er annahm, dass sie keine Prostituierte war, sondern womöglich die Frau eines Schuldgefangenen, die gezwungen war, für einen langen Zeitraum (vielleicht für immer) hier zu leben, und versuchte, sich etwas Nadelgeld zu verdienen, indem sie in der Schankstube (einer weiteren guten Einnahmequelle des Direktors) aushalf. Sie musterte ihn nicht minder aufmerksam, woraus Daniel schloss, dass Saturn ihr bereits die alberne Schatzsuchergeschichte erzählt hatte.
    »Gute Frau«, sagte Daniel, während er seinen Geldbeutel aus der Tasche zog, damit sie sich nicht davonmachte, »habt Ihr mit der Verwaltung zu tun?«
    »Ihr meint wohl, mit dem Inspektorengericht?«
    Daniel lächelte. »Ich dachte eigentlich an den Direktor -«
    Die Frau wunderte sich, selbst bei einem senilen Verrückten, dass die Sprache auf den Direktor gebracht wurde; Daniel hätte sie ebenso gut fragen können, ob sie mit dem Papst von Rom Tee trank.
    »Dann eben das Inspektorengericht, wenn das die zuständigen Herrschaften sind.«
    »Diese Herrschaften haben eine ganze Menge Zustände, wenn Ihr wisst, was ich meine!« Sie zwinkerte Saturn zu: ein bisschen harmlosen Spaß haben, indem sie den alten Knacker aufzog.
    »Diese Männer mit den Musketen wollen mir nicht erlauben, das Verlies dort drüben zu erforschen!«, beklagte sich Daniel und deutete auf die Soldaten. »Ich habe gehört, das Fleet stünde allen offen, aber -«
    »Da habt Ihr Glück«, verkündete die Frau.
    »Wie das, Madame?«
    »Also, es ist so: Wenn Ihr irgendetwas anderes wolltet, würde es eher in der Hölle frieren, als dass der Steward Euch auch nur ein bisschen entgegenkommen würde, außer natürlich, Ihr würdet ihn bezahlen. Aber in der Angelegenheit mit den Soldaten ist der Steward wirklich geübt und hat alle möglichen weitschweifigen Reden im Wein-Club und im Bier-Club gehalten und Beschwerde gegen die da oben eingereicht! Eure Klage wird nicht auf taube Ohren stoßen, Sir, wenn Ihr direkt zum Steward geht – vor allem, wenn Ihr einen Beitrag leistet, Ihr wisst schon, was ich meine.«
    Unterdessen hatte Daniel Münzen aus seinem Geldbeutel gezogen und auf dem Tisch sortiert, was nicht unbemerkt geblieben war. Er legte die Spitze eines Zeigefingers auf eine von geringem Wert und schob sie über den Tisch, sodass die Frau sie nehmen konnte – was sie auch tat. Ihr Blick lag nun andächtig auf Daniels Zeigefinger, der weiter über der Anordnung von Münzen schwebte.
    »Gehe ich dann recht in der Annahme, dass die Stationierung von bewaffneten Soldaten im Fleet eine ungewöhnliche Maßnahme darstellt?«
    Sie brauchte einen Augenblick, um das zu entschlüsseln. »Bewaffnete Soldaten hier

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