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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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gekommen war, nämlich ostwärts in die Stadt.
    »Ich habe, wie von Euch erbeten, einen Fuhrmann in den Crane Court geschickt, damit er abholt, was Ihr abholen lassen wollt. Wir werden bei St. Stephen Walbrook mit ihm zusammentreffen, dann könnt Ihr ihn den ganzen Tag haben.«
    »Ich stehe in Eurer Schuld.«
    »Keineswegs. Darf ich fragen, worum es geht?«
    »Abfall vom Dachboden. Ein Geschenk für unsere Kollegen in St. Petersburg.«
    »Dann stehe ich in Eurer Schuld. Wenn man bedenkt, welcher Art meine Werke sind, gäbe es einen ungeheuren Skandal, wenn Crane Court unter dem Gewicht von Käfern zusammenbräche.«
    »Dann wollen wir alle Salden zwischen uns als ausgeglichen betrachten.«
    »Seid Ihr wirklich alles durchgegangen?«
    »Eigentlich bin ich hinter dem Nachlass von Hooke her.«
    »Oh – äh! Den werdet Ihr dort nicht finden. Sir Isaac.«
    »Hooke und Newton sind die beiden schwierigsten Menschen, die ich jemals kennengelernt habe -«
    »Flamsteed gehört auch in diesen Pantheon.«
    »Hooke hat geglaubt, Newton habe seine Ideen gestohlen.«
    »Ja. Davon hat er mich in Kenntnis gesetzt.«
    »Newton wähnte sich durch derlei Anschuldigungen beleidigt. Hookes Erbe konnte nur Hookes Auffassung stützen und Newton niemals entlasten – also weg mit dem ganzen Plunder! Aber Hooke, der nicht weniger trotzig war als Newton, muss das vorausgeahnt haben – daher hat er seine wertvollsten Sachen bestimmt außerhalb von Newtons Reichweite untergebracht.«
    Wren trug seine einundachtzig Jahre, wie ein Bogen tonnenweise Steine trägt. Er war so etwas wie ein mathematisches und technisches Wunderkind gewesen. Das Quecksilber, das zu Zeiten Cromwells scheinbar aus dem Boden gesprudelt war, hatte sich in ihm besonders stark konzentriert. Später hatte sich diese Flut offenbar gelegt, da viele der ersten Mitglieder der Royal Society einer Schwere an Gliedern oder Geist erlegen waren. Anders Wren, der sich von einem jungen Elf in einen Engel zu verwandeln schien, und das bei nur kurzem Zwischenaufenthalt im Mannesalter. Er trug eine hohe, flauschige, silbergraue Perücke und Kleidung in hellen Farben, mit duftiger Spitze an Hals und Handgelenken, und sein Gesicht war in ausgezeichnetem Zustand. Das Alter sah man ihm hauptsächlich an den Grübchen in den Wangen an, die sich zu Falten verlängert hatten, und an der fragilen Haut seiner Augenlider, die ziemlich locker und rosig geworden und angeschwollen war. Doch schien ihm das nur einen gelassenen und leicht amüsierten Gesichtsausdruck zu verleihen. Daniel erkannte nun, dass zu den Gaben, die Gott dem jungen Wren verliehen hatte, auch die Weisheit zählte, und sie hatte ihn zur Architektur geführt: ein Gebiet, auf dem die Ergebnisse für sich selbst sprachen und auf dem man mit vielen seiner Mitmenschen jahrelang auf Gesprächsfuß bleiben musste. Die anderen frühen Mitglieder der Royal Society hatten Wrens Weisheit nicht erkannt, und so hatte man vor fünfzig Jahren getuschelt, der Wunderknabe verschleudere seine Gaben, indem er ins Bauhandwerk gehe. Daniel hatte sich dieser Verkennung ebenso schuldig gemacht wie jeder andere. Doch Wrens Entscheidung war längst gerechtfertigt, und Daniel – der seine eigenen, nicht immer klugen Entscheidungen getroffen hatte – empfand keine Spur von Neid oder Bedauern. Nur eine Art ehrfürchtiger Nachdenklichkeit, während die Kutsche Ludgate passierte, den Kirchhof von St. Paul’s umfuhr und Wren mit einem Finger einen Vorhang teilte, um einen Blick auf St. Paul’s zu werfen wie ein Hirte, der ein Auge über seine Herde schweifen lässt.
    Wie wäre es, das gebaut zu haben? Darüber konnte Daniel nur Vermutungen anstellen, indem er überlegte, was er gebaut hatte, und dann versuchte, es im gleichen Geiste zu bewerten. Doch Daniels Werk war noch nicht vollendet. Er war noch nicht so alt – jedenfalls kam er sich in derzeitiger Gesellschaft nicht so vor. Als Wrens Sohn in der Laterne auf der Kuppel von St. Paul’s den letzten Stein an seinen Platz gesetzt hatte, war Sir Christopher zehn Jahre älter gewesen, als Daniel heute war.
    St. Paul’s war dem Blick entschwunden; sie waren in die Watling Street eingebogen und wegen des Verkehrsstaus zum Stehen gekommen; das Blatt hatte sich gewendet, und nun sah Wren ihn nachdenklich an. »Ich habe nicht vor, mich in Eure Angelegenheiten einzumischen«, sagte er. »Aber ich könnte Euch eher helfen, wenn Ihr mich wissen ließet, was für Sachen von Hooke Ihr sucht. Einige seiner

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