Principia
Geschichte.«
Wren hob begütigend die Hand. »Die Innenausstattung wird vom Kirchenvorstand getragen – er beschäftigt die Orgelbauer. Richtig ist aber, dass ich ständig welche sehe.«
»London muss von ihnen wimmeln!«
»Vor zehn, zwanzig Jahren galt das eher als heute. Londons Kirchen sind fertig. Viele Orgelbauer sind auf den Kontinent zurückgekehrt, um Instrumente wiederaufzubauen, die in den Kriegen zerstört worden sind. Aber viele sind noch da. Ich werde Nachforschungen anstellen, Daniel.«
Sie kamen bei der Kirche St. Stephen am Walbrook an. Zu Zeiten der Römer war der Walbrook ein Flüsschen gewesen, das inzwischen, so nahm man an, zu einem irgendwo unter der Straße gleichen Namens dahinfließenden Abwasserkanal geworden war, obschon sich niemand bereit erklärte, hinabzusteigen und es zu verifizieren. Es war ein gutes Omen für den Tag, denn dies war Daniels Lieblingskirche. Erstens hatte Wren sie zu Beginn seiner Laufbahn errichtet – recht besehen in denselben Jahren, in denen Leibniz am Kalkül gearbeitet hatte. Sie bestand nur aus Kuppeln und Bögen und war so weiß und rein wie ein Ei; und was immer die Gemeindemitglieder an erhebenden Gedanken hegen mochten, wenn sie im Gänsemarsch hineingingen, Daniel wusste, dass der Bau Wrens geheime Hymne an die Mathematik war. Zweitens hatte der Goldschmied Thomas Ham, Daniels Onkel, so nahe bei der Kirche gewohnt, dass er die Lieder, die darin erklungen waren, hatte hören können. Seine Witwe Mayflower – die spät im Leben zum Anglikanismus konvertiert war – hatte dort mit ihrem noch lebenden Sohn William Gottesdienste besucht. Und drittens hatte König Charles II. Thomas Ham bei dessen Erhebung in den Adelsstand – eine Entschuldigung dafür, dass er sich mit den Einlagen seiner sämtlichen Kunden davongemacht hatte – zum Viscount Walbrook ernannt, weshalb Daniel die Kirche St. Stephen Walbrook fast wie eine Familienkapelle vorkam.
Wren hatte so rasch so viele Kirchen gebaut, dass er keine Zeit gehabt hatte, sie mit Türmen zu versehen. Innen sahen sie alle großartig aus. Weil aber Kirchtürme ein wesentliches Element seiner Vorstellung davon waren, wie London von außen auszusehen hatte, kehrte er nun, schon halb im Ruhestand, zu seinen alten Projekten zurück und produzierte, einen nach dem anderen, majestätische, doch geschmackvolle Kirchtürme. Von seinem Platz aus konnte Daniel bei der Kirche St. James Garlickhythe, eine Viertelmeile entfernt, einen weiteren sehen, der gerade fertiggestellt wurde, und ihm gegenüber, bei der Kirche St. Michael Paternoster Royal, einen dritten, der kürzlich fertiggeworden war. Offenbar nahm sich Sir Christopher mit seinem Kirchturm-Projekt ein Stadtviertel nach dem anderen vor. Überaus praktisch, dieses Vorgehen. Bei St. Stephen Walbrook hatte man gerade erst mit dem Bau begonnen und verwendete dabei Männer und Material, die von den beiden anderen Kirchen abgezogen worden waren.
Sie fuhren nun über das näher gelegene Ende eines anomal offenen Geländes nördlich der Kirche, das von ihr bis zur Kreuzung Poultry/ Threadneedle/Cornhill/Lombard etwa hundert Ellen maß. Früher war hier der Viehmarkt gewesen. In einer Stadt wie London konnte so viel unbebaute Erde unmöglich existieren, ohne zur Brutstätte von Verbrechen oder Handel zu werden, und Daniel erspähte Beispiele für beides, sobald er aus Wrens Kutsche stieg. Am näher gelegenen Ende hatten Wrens Arbeiter bewachte Materialdepots für die Maurer und Zimmerleute angelegt, welche die nächsten ein, zwei Jahre hier arbeiten würden, und errichteten gerade ein winziges Lager aus Baracken und Zelten. Feierlich wie Doktoren paradierten ihre Hunde umher und urinierten auf alles, was sich nicht rasch genug bewegte. Inmitten dieses Durcheinanders erspähte Daniel einen Karren, beladen mit Paketen, die er eigenhändig auf dem Dachboden der Royal Society gepackt hatte.
Viele zogen den Hut – natürlich nicht vor Daniel, sondern vor seinem Mitfahrer. Wren machte Anstalten, sich von ihm zu trennen. »In meinem Besitz befinden sich Zeichnungen von vielen Gebäuden Hookes.«
»Das ist genau das, was ich brauche.«
»Ich werde sie Euch zukommen lassen. Außerdem die Namen einiger mittlerweile im Ruhestand lebender Männer, die sie gebaut haben und sich möglicherweise an Besonderheiten ihres Baus erinnern.«
»Das ist überaus freundlich von Euch.«
»Es ist das Mindeste, was ich für den Nachlass des Mannes tun kann, der mir beigebracht hat, wie
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