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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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seinem Brustbein ruhte, und macht sich an einem der drei an dieser äußeren Tür sichtbaren Vorhängeschlösser ans Werk. Als er fertig ist, tun die anderen beiden Schlüsselträger es ihm nach. Die Schlösser werden mit großem Gepränge fortgebracht und auf den Steinbänken ausgelegt, wo bedeutende Männer es sich angelegen sein lassen, auf sie aufzupassen. Das große Schließband wird von einem bulligen Helfer umgelegt und die Tür aufgezogen.
    Zwei Stufen führen in einen kleinen Vorraum hinunter, dort ist der Weg durch eine zweite, nicht weniger eindrucksvolle Tür versperrt. Daniel tritt vor und in den kleinen Raum hinein, nimmt seinen Schlüssel zur Hand und erkennt nach einigem Herumprobieren, welches Schloss er öffnen soll. Nach getaner Tat steigt er wieder auf die Ebene des Kreuzganges hinauf, denn unten ist nur Platz für einen Schlüsselträger und einen Laternenhalter. Bald sind alle drei Schlösser von der inneren Tür entfernt und ans Licht gebracht worden, und das Schließband wird umgelegt. Wieder richten sich aller Augen auf Daniel. Er steigt hinunter, legt seine Schulter an die Tür und schiebt. Sie schwingt halb auf, dann rührt sie sich keinen Zoll mehr weiter, wie er es vorausgesehen hat. Das Gewölbe dahinter ist zweimal so alt wie der Kapitelsaal. Im Verlauf irgendwelcher Unruhen im 13. Jahrhundert wurde es durchwühlt – denn hier werden das Goldgeschirr und andere Schätze der Abtei aufbewahrt -, und deshalb hat man eine steinerne Bodenschwelle angebracht, damit die Tür nicht ganz aufgestoßen werden kann und künftige Plünderer die Beutestücke eins nach dem anderen statt gleich truhenweise hinaustragen müssen.
    Da es nun Daniels Vorrecht ist, die Pyxkammer als Erster zu betreten, bemächtigt er sich einer Laterne und drückt sich seitlich durch die Tür hinein – um dann die menschenfeindliche Anwandlung zu unterdrücken, sie hinter sich zuzuschlagen und zu verbarrikadieren und hier die nächsten tausend Jahre auf dem Stein der Weisen zu leben. Die Kammer ist größer, als er erwartet hat: dreißig Fuß im Quadrat, mit einem einzelnen dicken Pfeiler in der Mitte, der die vier dort zusammentreffenden niedrigen Gewölbebögen trägt und dem Raum seinen gedrungenen, zwergenhaften Charakter verleiht. Nach diesem ganzen Zinnober stellt Daniel verwirrt fest, dass die Pyxkammer nichts als ein verstaubter alter Vorratskeller ist, in dem ohne ein besonderes System schwarze Kassetten herumstehen.
    Andere folgen ihm. Manche scheinen sich hier auszukennen. Sie kommen an bestimmten Schatztruhen zusammen, und es wird noch viel mit Schlüsseln herumhantiert. Die letzte Gruppe, die den Raum durchwühlt hat, waren Cromwells Leute, die die Schlösser von den Truhen wegschossen und sich die Kronjuwelen aneigneten. Da für Cromwell jedoch ein gesundes Münzwesen ebenso nötig gewesen war wie für die Könige früherer Zeiten, hatte er die Truhen reparieren und die Schlösser ersetzen müssen. Daniel ist versucht, das anzumerken, während er zusieht, wie die Erbadligen sich an den Schlössern der Puritaner zu schaffen machen, kann sich aber beherrschen.
    Drei wichtige Gegenstände kommen aus den jeweiligen Kassetten zum Vorschein:
    (item) Ein Lederfutteral mit eindrucksvollen Dokumenten: den Abschriften der von Isaac und anderen Münzbeamten unterzeichneten Verträge. Die nimmt der Sekretär des Ersten Lords des Schatzamtes an sich.
    (item) Eine gedrungene hölzerne Lade mit Eichgewichten.
    (item) Eine breitere und flachere Truhe mit Probeplatten: Edelmetallblechen mit bekanntem Feingehalt, die aus den Öfen der Gesellschaft der Goldschmiede stammen. Mit diesen müssen Isaacs Münzen verglichen werden.
    Diese drei Schätze werden in den Kreuzgang hinaufgebracht, als wären sie königliche Drillinge, die zu einem kleinen Spaziergang nach draußen getragen werden. Lange und laut ist das Schlagen von Schließbändern und das Klirren von Schlüsseln hinter ihnen zu hören. Zu der Zeit, als Parlament und Kronrat beide noch wenige Schritte entfernt im Kapitelsaal ihre Beratungen abhielten, sinniert Daniel, muss dieses Ritual wesentlich zügiger vonstatten gegangen sein. Als die Mönche sie dann rausgeschmissen hatten, dürften Sätze wie dieser gefallen sein: »Ach ja, und demnächst müssen wir das Pyxzeug aus der Abtei holen, um es dort aufzubewahren, wo es tatsächlich gebraucht wird.« Doch das war eines jener Vorhaben, die, wenn sie nicht innerhalb der nächsten zwölf Stunden verwirklicht werden, noch

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