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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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einen ausladenden Blick. »Er hat gesagt, Ihr wüsstet, was zu tun ist«, erklärt sie.
    Also geht er in die Ecke, öffnet erneut die Tür und vergewissert sich, dass Isaac immer noch tot ist (was man normalerweise mit einiger Sicherheit annehmen könnte, aber bei Isaac weiß man nie). Dann beugt er sich mit Kopf und Schultern in die Sänfte und fasst Isaac prüfend unter die Achsel: noch lauwarm. Als er den Kopf hebt, hat er die Rückseite von Catherine Bartons Mieder und die ganze Sternkammer dahinter im Blick. Der schwarze Vorhang verdunkelt alles ein wenig, aber daran haben seine Augen sich bald gewöhnt. Ihn oder Isaac kann natürlich niemand sehen.
    Über einem großen Tisch neben dem Prüfofen kippen die Mitglieder der Stadtkommission den Inhalt der Pyx aus. Sinthias quellen hervor und türmen sich auf. Ein paar rollen auf den Boden und werden wieder aufgehoben. Die Pyx wird aufrecht, offen und leer auf den Fußboden gestellt. Die vierundzwanzig Kommissionsmitglieder – einstweilen arbeiten Goldschmiede und Bürger alle zusammen – gehen den Haufen durch, lesen die Aufschrift auf jeder Sinthia und verteilen sie auf zwei Stapel: Der eine enthält Silbermünzen – Shilling, Sixpence und verschiedene andere Pennystückelungen – und der andere Goldmünzen – Guineen und das ein oder andere Fünf-Guineen-Stück. Daniel fällt auf, dass Mr. Threader am Ende des Tisches, wo die Goldmünzen gesammelt werden, eine beherrschende Stellung eingenommen hat. Vor ihm befindet sich eine große Balkenwaage. Er schwingt ein Klappmesser, mit dem er rasch die Sinthias bearbeitet und die Gelben Jungs aus ihren ledernen Zwangsjacken befreit, um sie dann auf dem Tisch zu Stapeln aufzuhäufen. Hin und wieder hält er einen in der hohlen Hand und wirft ihn hoch: Wie immer kann Daniel auch jetzt nicht ausmachen, ob das bloß ein nervöser Tick ist oder ein wohlüberlegter Versuch, sein Gewicht zu schätzen.
    Da die Münzprobe in guten Händen zu sein scheint, wendet Daniel seine Aufmerksamkeit Angelegenheiten im Inneren der Sänfte zu.
    Er hat gesagt, Ihr wüsstet, was zu tun ist . Nun, ja und nein.
    Daniel hat ein von Hookes Hand geschriebenes Dokument studiert, in dem behauptet wird, ein Patient (zufällig ein gewisser Daniel Waterhouse, aber das ist nicht von Belang) sei gestorben und durch einen von einem Alchimisten gebrauten Trank wieder lebendig gemacht worden. Hooke schrieb das Rezept nieder, so gut es ihm aus dem Gedächtnis möglich war. Später ging Isaac es so gründlich durch, wie nur Isaac etwas gründlich durchgehen konnte, und schrieb eine Menge Anmerkungen dazu, sämtlich in dem mythologiebeladenen Jargon und der eigenartigen Symbolik der Esoterischen Bruderschaft. Daniel kennt sich in diesen Dingen besser aus, als ihm lieb ist, hat er doch einen beträchtlichen Teil seiner Jugend mit solchen Leuten verbracht; außerdem hatte er ein paar Tage Zeit, sich Hookes Rezept und Isaacs Kommentar dazu anzusehen und herauszufinden, was sie bedeuten. Da Isaac in den vergangenen Wochen mehrere Versuche unternommen hatte, alle Schritte dieses Verfahrens bis auf den letzten durchzuführen, standen alle nötigen Schmelztiegel, Retorten etc. gut sichtbar auf dem Tisch des Laboratoriums, als Daniel vor ein paar Tagen mit der Arbeit begann, und die Zutaten waren auch alle vorhanden. Alle, bis auf die letzte und entscheidende.
    Aus seiner Tasche nimmt Daniel jetzt das kleine Holzkästchen. Er stellt es auf Isaacs Schoß und öffnet es. Sein Inhalt besteht aus einem zugestöpselten Glasfläschchen mit einer roten Flüssigkeit und einem Papierpäckchen, das wie eine winzige Sinthia aussieht und nicht größer ist als Daniels Fingernagel. Das faltet Daniel mit großer Umsicht auseinander, worauf eine kleine Menge Goldstaub zum Vorschein kommt. Das ist alles, was von dem Ring übriggeblieben ist, den Salomon Kohan ihm gegeben und den Daniel letzte Nacht eingeschmolzen hat, um eine falsche Guinee daraus zu machen. Die Hälfte dieser Guinee wurde in kleine Stücke geschnitten, die sich jetzt gerade oben in Mr. Threaders Ärmel befinden müssten. Die andere Hälfte hat Daniel mühsam an einer Feile abgerieben, bis sie verschwunden war, und den Staub in diesem Papier aufgesammelt. Die Partikel sind so fein, dass man ein Mikroskop braucht, um sie zu sehen, was bedeutet, dass ihre Oberflächen riesig groß sind und mühelos von jedem sie umgebenden Lösungsmittel durchdrungen werden können. Jetzt im Moment ist das zufällig Luft, und es

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