Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
Road im Osten bis zur Tottenham Court Road im Westen eine Art perversen Park, dessen Mittelpunkt Black Mary’s Hole war. Hierher begaben sich die Leute, um jede Form von geschlechtlichem Verkehr auszuüben, die vom Anglikanischen Gebetbuch nicht sanktioniert wurde, und hierher gingen Wegelagerer, um sie auszuplündern, und Diebesfänger, um die Umtriebe der Wegelagerer auszuspionieren und der Belohnung wegen den einen auf den anderen zu hetzen.
    Bäder und Teegärten lieferten einen weiteren Grund, dorthin zu gehen – oder aber einen praktischen Vorwand für feine Leute, deren eigentliche Beweggründe nichts mit Baden oder Tee zu tun hatten. Außerdem – und das komplizierte die Sache ungemein – gingen jede Menge Leute zu kindlich schlichten und unschuldigen Zwecken dorthin. Ausflügler zog es ebenso hierher wie Mörder. Bei seinem ersten Besuch dieses Viertels hatte Daniel jemanden hinter sich herschleichen hören und war sich sicher gewesen, dass es sich um einen Wegelagerer handelte, der gerade seinen Knüppel hob, um ihm den Schädel einzuschlagen; im Umdrehen hatte er einen Fellow der Royal Society erblickt, der ein Schmetterlingsnetz mit langem Stiel schwenkte.
    Genau an der Stelle, wo London aufhörte, befand sich an der Straße nach Black Mary’s Hole ein Stück Land, das Mitglieder von Daniels Club zutreffend als einen Schweinepferch mit einem Schutthügel beschrieben. Wahrscheinlich hatte Daniel in seiner Kindheit vom Fenster von Drakes Haus aus tausendmal den Blick darüber hinweghuschen lassen, ohne sich etwas dabei zu denken. Doch vor kurzem hatte er aus Massachusetts ein Bündel Briefe bekommen. Darunter war auch einer von Enoch Root gewesen, der Wind von Daniels Plan bekommen hatte, irgendwo in der Gegend von London so etwas wie eine Zweigstelle des Instituts der Technologischen Wissenschaften zu bauen.
    Schon lange gehe ich mit dem Gedanken um, dass ich eines Tages den Besitzer des verfallenen Temple in Clerkenwell auffinden und etwas aus diesem Besitz machen werde.
    Beim Lesen dieser Worte hatte Daniel die Augen verdreht. Wenn Enoch Root ein Immobilienmakler war, dann war Daniel eine türkische Haremsdame! Es war typisch für Enoch, sich einzumischen: Er wusste, dass unter diesem Schweinepferch, der von London verschluckt werden würde, eine Tempelritter-Krypta lag, von der er nicht wollte, dass sie aufgefüllt oder von einer Schnapskaschemme als Vorratskeller genutzt wurde, und er hoffte, dass Daniel oder sonst wer etwas dagegen unternehmen würde. Daniel wehrte sich innerlich gegen dieses transatlantische Drängen. Aber Root hatte ein Geschick dafür, Übereinstimmungen zwischen seinen Interessen und denen der Leute, in deren Leben er sich einmischte, zu finden oder zu schaffen. Daniel brauchte einen Ort, an dem er etwas bauen konnte. Clerkenwell war zwar offensichtlich instabil und matschig, roch nach dem Abdecker, hallte vom Geschrei und Gebrüll kämpfender Tiere wider und galt bei Standespersonen als gefährlich, war aber dennoch ein passender Ort für Daniel. Er konnte mit nur wenigen Schritten in die Stadt oder aufs Land gelangen – oder dem einen wie dem anderen entfliehen -, und von den Nachbarn würde keiner dazu neigen, sich über merkwürdige Umtriebe zu beschweren oder von nächtlichen Besuchern Notiz zu nehmen.
    Das Grundstück war ein unregelmäßiges Fünfeck von etwa hundert Schritt Breite. Die eingesunkene Ruine lag außermittig, ein Stück von der Straße nach Black Mary’s Hole entfernt, bei einem Eckpunkt, der nach Clerkenwell zurückwies. An einer Seite grenzte der Park eines benachbarten Bades daran, weshalb das Grundstück größer wirkte, als es war. Es war eines der unzähligen Bröckchen von Landbesitz, die den gewaltigen Gütern der Kirche zur Zeit der Tudors abgezwackt worden waren. Die seitherigen Besitzwechsel nachzuvollziehen war eine hübsche Aufgabe für einen beschäftigungslosen Eierkopf mit sehr guten Lateinkenntnissen gewesen – Daniel war zweimal nach Oxford gefahren, um sie zu recherchieren. Er hatte festgestellt, dass das Eigentumsrecht an dem Grundstück an eine Familie von Kavalieren übergegangen war, die sich zur Zeit Cromwells nach Frankreich abgesetzt hatten und aufgrund eines darauf folgenden, komplizierten Musters von Eheschließungen, Unehelichkeit, verdächtigen Todesfällen und opportunistischen Konversionen praktisch Franzosen geworden waren und wahrscheinlich nie zurückkehren würden. Fünfundzwanzig Jahre fast ununterbrochenen Krieges

Weitere Kostenlose Bücher